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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum
Autoren: Jason Dark
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das rechte Hosenbein des Mannes, ohne allerdings den Stoff zu zerstören. Das Tier konnte sich mit Worten nicht bemerkbar machen, deshalb zerrte es und bellte auch.
    Das Geräusch riß den Agenten für einen Moment aus seiner Lethargie.
    Er schaute hoch.
    Und er sah das Boot!
    ***
    Harry Stahl wollte lachen. Über sich selbst, über die gesamte Lage und auch über das Boot, das ihm vorkam wie eine Halluzination. Er glaubte nicht an die Rettung in letzter Sekunde, und wenn sie tatsächlich eintreten sollte, dann hatten die Personen, die im Boot hockten, auch keine Chance.
    Aber das Boot existierte wirklich. Stahl zwinkerte einige Male. Der Kloß in seinem Magen blieb, schrumpfte jedoch.
    Und der Mann, der ruderte, fuhr den Kahn direkt auf den dunklen Tümpel und damit auf den Baum zu. Harry sah von ihm nur den Rücken. Ihm gegenüber saß ebenfalls ein Mann, der schon älter war, den Harry noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte.
    Er konzentrierte sich auf den Ruderer, während sich über seinem Kopf die knackenden und leicht brechenden Geräusche immer mehr verstärkten. Er wagte nicht mal, in die Höhe zu blicken, denn irgend etwas an dem rudernden Mann, war ihm bekannt vorgekommen und hatte ihn auf eine bestimmte Art und Weise fasziniert.
    War es die Haltung? War es das blonde Haar? Die Jacke aus Leder? Er konnte sich noch keine Antwort geben, weil zu viele Teile dieses Puzzles noch durch seinen Kopf wirbelten und leider nicht zusammengefunden hatten.
    »Wer ist das?« keuchte er. »Das kann…«
    In diesem Augenblick drehte sich der Mann um, ohne allerdings die Ruder einzuholen. Er wollte die Entfernung zum Baum hin abschätzen. So konnte Harry sein Gesicht sehen.
    Er schrie! Nein, er schrie nicht. Er glaubte nur, zu schreien, denn was er da sah, das mußte einfach ein Traum sein.
    Der Ruderer war John Sinclair!
    Sein Freund John!
    Harry spürte, wie er schwankte. Plötzlich war auch der feste Untergrund zu einem schwammigen Sumpfteil geworden. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten und nicht zu fallen.
    Dann hörte er seine eigene Stimme. Sie war nicht mehr als ein Flüstern. »John…«
    Aber John Sinclair schien ihn trotzdem gehört zu haben, denn er brüllte seinen Namen.
    In diesem Moment befanden sich die gefährlichen Kuppen mit dem scharfen und starren Geäst nur noch wenige Zentimeter von Harry Stahls Kopf entfernt…
    ***
    Ich ruderte, und ich tat es mit einer Verbissenheit, die einfach sein mußte, weil ich genau wußte, daß nicht genug Zeit blieb. Ich hatte Harry Stahl und seinen Hund gesehen. Ich wußte auch, wie gefährlich der Baum war, denn der ehemalige Bischof hatte mir von den unheimlichen Vorgängen flüsternd berichtet, wie das Astwerk es geschafft hatte, sich mit der Leiche zu beschäftigen und sie nach unten zu drücken, bis der Tote in seinen Finger hineingestopft worden war. Die Kuppe war nicht voll und ganz mit diesem Geäst bewachsen, ein Teil von ihr lag frei, deshalb hatte diese Stelle den Mann auch zusammendrücken können.
    Das alles war mir berichtet worden, während ich heftig pullte, um so rasch wie möglich den dunklen Teppich und den verdammten Baum zu erreichen.
    Das Wasser setzte mir seinen natürlichen Widerstand entgegen.
    Manchmal überkam mich der Eindruck, überhaupt nicht vom Fleck zu kommen, obwohl mich Roland Schneider immer antrieb.
    Er saß auf der Mittelbank, während ich meinen Sitzplatz am Heck gefunden hatte. Und der Mann hatte sich so hingesetzt, daß er an mir vorbeischauen konnte.
    Er sprach mit hektischer und flüsternder Stimme. Mittlerweile wußte er, daß ich den Mann gut kannte, mit wenigen Worten hatte ich ihn eingeweiht, und er sagte mir auch, daß der Baum sich seine nächsten Opfer holen würde.
    »Auch den Hund wird er schlucken. Er holte sich alle und alles. Das weiß ich.«
    »Wann?«
    »Rudern Sie schneller, Sinclair!«
    Der Kerl, der mir das alles eingebrockt hatte, redete dumm daher.
    Ich tat mein Bestes, zog die Ruder durch, aber ich war kein Spitzenkönner. Jemand, der an einer Weltmeisterschaft teilnahm, war bestimmt um einige Klassen besser als ich. Bei mir spritzte zuviel Wasser, und wir beide waren schon naß geworden.
    Roland Schneider war siegessicher. »Bald, Sinclair, bald haben sie es geschafft. Verdammt, der Mann…« Sein Gesicht erstarrte, die Augen weiteten sich.
    »Was ist mit ihm?«
    »Er muß springen! Scheiße, warum springt er denn nicht?«
    Ich hielt die Ungewißheit nicht mehr aus. Auch wenn ich Sekunden verlor, ich
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