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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum
Autoren: Jason Dark
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Für einen Augenblick dachte ich darüber nach, ihn anzurufen, aber ich nahm davon Abstand. Ich wollte erst näher heran an den Gegner.
    Als ich daran dachte, mußte ich schlucken. Ja, er war ein Gegner, ein Feind, und er war verdammt mächtig, auch von seiner Größe her. Hätte mich jetzt jemand danach gefragt, ob ich optimistisch war, den Kampf zu gewinnen, hätte ich ihm keine konkrete Antwort geben können.
    Ich hatte die beiden Ruder festgehakt, tauchte sie ein, spürte, daß die Blätter über den schlammigen Grund schleiften, zog trotzdem durch, damit unser Boot in schaukelnde Fahrt geriet.
    Der ehemalige Bischof saß mir gegenüber. Er sah aus wie ein Mann, den das schlechte Gewissen plagte. Er nickte vor sich hin und sagte einen Satz, der nicht unbedingt eine Lüge sein mußte. »Es kann für uns beide eine Fahrt in den Tod werden, Herr Sinclair.«
    Ich ersparte mir die Antwort…
    ***
    Es war der Augenblick, in dem auch ein Mann wie Harry Stahl Angst bekam. Er kriegte zu spüren, wie hilflos ein Mensch gegen die Mächte der Natur war, dabei handelte es sich hier nicht mal um eine Überschwemmung, eine Lawine oder ein Erdbeben. Er war in eine Falle hineingeraten, die zusammen von einer dämonischen Kraft und auch der Natur aufgebaut worden war.
    Damit kam er nicht zurecht.
    Aber er mußte es akzeptieren.
    Riesig wuchsen die leicht gekrümmten Hände über ihm hoch. Die Leiche hatte sich im Astgestrüpp über den Fingern verfangen. Zacharias, der Killer, hatte es hinter sich. Wie er in der Hütte von der anderen Kraft überfallen worden und wie er in seinen Zustand hineingeraten war, wußte Harry nicht. Er wollte es auch nicht wissen, denn das Kapitel Zacharias war für ihn abgeschlossen.
    Jetzt ging es um ihn. Um seine Person und um die Angst, die ihn durchfloß. Sie war wie ein unsichtbarer und glühender Bohrer, der sich tief in sein Inneres gefressen hatte und sein Ziel genau im Zentrum des Herzens fand.
    Er hörte es schlagen. Nicht normal, sondern wild und hämmernd.
    Immer wieder pumpte es, und die Angst in ihm nahm mit jedem Herzschlag zu.
    Noch etwas anderes spürte er.
    Der Schweiß drang ihm bei jedem Schlag aus den Poren. Er lief an seinem Gesicht entlang wie dicker Saft und hatte selbst die Kleidung von innen her klebrig gemacht.
    Seine Kehle war trocken. Im Magen drehte sich etwas immer wieder im Kreis. Er wurde mit dem Gefühl nicht so recht fertig, aber es sorgte zugleich für ein Zittern der Arme und der Hände.
    Selbst der Hund konnte sich nicht mehr beherrschen. Sein vierbeiniger Lebensretter lief hin und her, knurrte, bellte mal und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte.
    Auch Harry suchte verzweifelt nach einer Chance, dem Schrecken zu entfliehen. Es gab nur die Möglichkeit, nach unten zu springen.
    Das aber würde er sich schwer überlegen, denn in der Tiefe lauerte nicht nur das dunkle Wasser, auch wenn es so aussah, sondern auch der Sumpf und damit der Tod.
    Manchmal waren seine Glieder taub. In den Fingerspitzen war kaum noch Gefühl. Die Lippen schienen ausgetrocknet zu sein.
    Die andere Entdeckung ließ sich einfach nicht aus der Welt schaffen, denn innerhalb des Ballens sah er einen Frauenkörper, der mit diesem Untergrund stark verwachsen war und dabei sogar aus ihm hervorging.
    Der Körper war in seiner unteren Hälfte mit dem Handteller verwachsen. Der obere Teil ragte hervor, natürlich auch die Arme, und sie waren zurückgedrückt worden und lagen wie zwei bleiche, knotige Äste auf dem Handballen.
    Harry hatte sich zuerst nicht getraut, einen Blick auf das Gesicht der Toten zu werfen. Jetzt aber fand er den Mut.
    Es war das Gesicht einer nicht mehr ganz jungen Frau, aber es lag auch nicht direkt auf dem Untergrund, sondern war schon zur Hälfte und bis zu den Ohren hin mit ihm verwachsen. Stahl konnte sich gut vorstellen, daß es irgendwann einmal nicht mehr zu sehen war.
    Da hatte es der Ballen dann wohl integriert.
    Wie auch die anderen?
    Eine Frage, auf die er keine konkrete Antwort geben konnte. Die Finger sahen zwar normal aus, aber irgendwo waren sie auch unnormal, denn sie machten auf ihn den Eindruck, als gehörten sie zu irgendwelchen Körpern, die sich hineingedrückt hatten, wo jetzt irgendwelche Wülste nach oben standen und hervorschauten.
    Leichenfinger?
    Finger aus Leichen?
    Harry schüttelte über sich selbst den Kopf. Er wollte es nicht akzeptieren, aber er fragte sich immer wieder, warum er noch nicht in diesen verdammten Baum integriert war und man
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