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0988 - Das Labyrinth von Eden

0988 - Das Labyrinth von Eden

Titel: 0988 - Das Labyrinth von Eden
Autoren: Adrian Doyle
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wenn man die hauchdünne Schicht beschädigt, die wir als unsere Wirklichkeit kennen.«
    Bayan betrachtete seinen Bruder, als sähe er ihn zu ersten Mal.
    Dann nickte er. »Bei Allah, dem Allmächtigen, möglich wäre es. Aber warum haben wenigstens wir es nicht auch schon früher entdeckt, wenn es schon immer da war? Wir haben besondere Kräfte, andere nicht. Wir hätten…«
    »Hört auf!«, bettelte Wafa. »Laufen wir schneller. Ich will heim! Dort sind wir sicher!«
    Sicher.
    Bayan hatte plötzlich ein neues Bauchgefühl.
    Eins, das ihn daran zweifeln ließ, dass es das jemals wieder für sie geben würde.
    Sicherheit…
    Aber er sagte nichts, und bald darauf tauchten die ersten Häuser von Kerak vor ihnen auf.
    Der Straßenlärm, der langsam anschwoll, je näher sie kamen, hatte sich noch nie so wohltuend angehört.
    Bevor die Brüder in die Gassen der Stadt eintauchten, blickten sie noch einmal zurück in die Wüste, so als gäbe es dort etwas zu sehen, das sie zeitlebens nicht mehr vergessen würden, auch wenn sie nur einen flüchtigen Blick darauf hatten erhaschen können.
    Zum ersten Mal seit Tagen dachten sie nicht unablässig nur an ihre vermissten Kinder.
    Zum ersten Mal keimte eine Ahnung in ihnen, dass Rami, Naru und Aun bald ihre geringste Sorge sein könnten…
    ***
    »Wie hieß noch mal die Stadt, aus der uns Nele ihr letztes Lebenszeichen geschickt hat?«, fragte Zamorra, als er Nicole im Schlossgarten in Gesellschaft von Madame Claire antraf. »Du weißt schon, die Zeilen, die sie uns schickte, bevor sie und Paul nach Eden aufbrechen wollten.«
    Nicole blickte verstört. Madame Claire hielt ihre Hand, als wollte sie Trost spenden, obwohl sie selbst mehr als unglücklich wirkte. Carries Verschwinden hatte Narben hinterlassen. Und die Hoffnung, dass sie zu ihnen zurückfinden würde, hatte sich nach einer Woche fast zerschlagen.
    »Kerak«, sagte Nicole schließlich mit einer Stimme, die bemüht war, sich nichts von der Last anmerken zu lassen, die auf sie drückte.
    »Kerak«, wiederholte Zamorra und zwängte sich auf die freie Sitzfläche neben Nicole. »Genau. Darüber kam gerade etwas über die Medien.«
    »Die Medien?«, echote Nicole, deren Miene keinen Zweifel daran ließ, dass sie lieber etwas über Carrie gehört hätte - ein Lebenszeichen von ihr.
    »Laut einem jordanischen TV-Sender, der ein Kamerateam im Hubschrauber dorthin schickte, handelt es sich aktuell um eine Geisterstadt.«
    »Eine Geisterstadt? Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, dass Kerak über zwanzigtausend Einwohner hatte, als Nele uns die Karte schrieb - dass davon aber momentan kein Einziger mehr dort lebt.«
    »Du meinst: tot?« Nicole erschrak, und Zamorra nahm es fast dankbar zur Kenntnis, dass seine Worte sie so aufwühlten und aus ihrer Apathie rissen. Nichts anderes hatte das seit Carries Weggang geschafft.
    Er schüttelte den Kopf. »Verlassen. Die Stadt ist den Berichten zufolge komplett verlassen - mehr steht zurzeit noch nicht fest. Die örtlichen Behörden haben eine Untersuchung angekündigt. Ein Flüchtlingsstrom wurde bislang noch nicht entdeckt. Stattdessen, meldet besagter Sender, ist der Kontakt zu dem Reporterteam im Hubschrauber nach dessen Landung in der Stadt abgebrochen.«
    »Das klingt nicht, als handele es sich um die simple Aufgabe einer Stadt durch ihre Bewohner«, sagte Nicole.
    Er zuckte mit den Achseln. »Bevor der Kontakt abbrach, meldete das TV-Team, dass überall in der Stadt Fahrzeuge geordnet auf den Straßen stehen. So, als wären sie von ihren Besitzern plötzlich angehalten worden, um auszusteigen. Sämtliche Wagentüren sollen geschlossen sein, was nicht auf ein überstürztes Handeln hindeutet.«
    »Aber auch nicht auf eine Flucht aus Kerak«, sagte Nicole. »Dafür hätten sie wohl sinnvollerweise ihre Autos benutzt, oder?«
    Er nickte. »Durchaus.«
    »Willst du es dir vor Ort ansehen?«
    »Sobald Zeit dafür ist - ja. Falls sich nicht in Kürze eine ›harmlose‹ Erklärung dafür findet, wäre das sicherlich ein Reiseziel, das sich anböte.«
    »Du glaubst an einen Zusammenhang?«, fragte Nicole. »Ich meine zwischen Neles Absicht, Eden zu betreten und dem, was du gerade schilderst.«
    »Bei Kerak haben wir es mit einer Stadt zu tun, die so gut wie nie in den Blickpunkt des Weltinteresses rückte. Hier an bloßen Zufall zu glauben, nachdem uns Nele vermittelte, dass ihr Geliebter von einst, Nikolaus, dort in der Gegend offenbar höchst brisante Spuren hinterließ, wäre
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