Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0975 - Burning Man

0975 - Burning Man

Titel: 0975 - Burning Man
Autoren: Anika Klüver und Simon Borner
Vom Netzwerk:
knurrend näher.
    ***
    Alice Kellerman - oder, wie sie sich selbst nannte, Ouusah May - begrüßte den Morgen auf ihre Art. Wie stets hatte sie sich schon vor Sonnenaufgang aus ihrem Wohnwagen begeben und war in die Wüste gegangen, um zu meditieren und bei Yoga und innerer Mentalreise auf den Anbruch des Tages zu warten. Es war herrlich dort draußen. Ruhe und unberührte Wirklichkeit satt - ganz anders als in Black Rock City, wo sie Jahr für Jahr neben dem unerträglich lauten Finnegan campieren musste. Der nahm doch Drogen! Ein Wunder, dass die Festivalleitung ihn noch immer ungestört gewähren ließ. Warum schrieb sie, Ouusah, denen denn seit Jahren bitterböse Briefe deswegen?
    Ouusah hatte das nördliche Ende des Festgeländes fast wieder erreicht, als sie seltsame Laute stutzen ließen. Waren das Kampfgeräusche? Sie schienen vom Burning Man zu kommen.
    Sicher irgendwelche Drogensüchtigen, die sich um die letzte Heroinzigarette prügeln, dachte sie. Ouusah May hasste Menschen mit Lastern fast so sehr, wie sie Menschen mit Lautsprechern hasste.
    Der Anblick, der sich ihr auf der anderen, dem Festgelände zugewandten Seite des Holzriesen bot, deckte sich allerdings nicht mit ihren Erwartungen. Ehrlich gesagt, nicht einmal mit ihrem Weltbild. Von ihrem Verständnis der Naturgesetze ganz zu schweigen!
    Da war dieser Mann, Zamorra. Ouusah erinnerte sich, ihn gestern in Gesellschaft des unerträglichen Finnegan gesehen zu haben. Er stand inmitten einer flackernden Blase aus grünlichem Licht, die Hände zum Kampf erhoben. Blendend weiße Blitze gingen von der Blase aus - und fuhren in die Leiber zweier raubtierähnlicher Erscheinungen, die sich dem Mann knurrend und mit gebleckten Reißzähnen näherten!
    Entsetzt blieb die vierzigjährige Esoterikerin stehen. So eine überzeugende Lasershow hatte sie in all den Jahren auf dem Festival noch nie gesehen. Immer diese Selbstdarsteller! Kannte denn hier niemand das Prinzip Rücksicht? Musste jeder sich und seine ganz persönliche Absurdität in den Vordergrund spielen? »Was im Namen aller Gas wesen aus der dritten Peripherie geht hier vor?« Sie wusste selbst nicht genau, woher diese Worte kamen, doch sie drangen aus ihrem Mund, und sie troffen regelrecht vor Entrüstung. »Mister Zamorra, ich fordere Sie auf, unverzüglich diesen Schabernack einzustellen! Sie wecken sonst noch die Camper.«
    Der Franzose drehte erschrocken den Kopf, sah sie - und schrie: »Weg hier! Bringen Sie sich in Sicherheit!«
    Bevor Ouusah auch nur reagieren konnte, hatte sich eines der Raubtierschemen aus der Umklammerung der Blitze befreit. Mit schnellen, präzisen Schritten hielt es auf sie zu. In seinen Augen glaubte sie Höllenfeuer lodern zu sehen. Der Anblick ließ sie erstarren.
    »Hauen Sie ab!«, schrie Zamorra und ging in die Knie. Er zitterte vor Anstrengung.
    Der Geisterkojote kam immer näher.
    Das… Ouusah May schluckte. Das ist doch eine Lasershow, oder?
    Dann sprang das unheimliche Vieh vom Boden auf, flog auf sie zu und riss sie von den Beinen.
    ***
    Keine… Kraft… Muss… atmen… verdammt! Zamorra keuchte. Abermals drehte sich die Welt vor seinen Augen.
    Seine Lunge schien kurz vor der Explosion zu stehen, und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren war fast alles, was er noch hörte.
    Er hatte sich sträflich verschätzt, als er glaubte, mit der Macht im oder hinter dem Burning Man kommunizieren zu können. Kampflos herausfinden zu können, ob wirklich eine weitere Höllenmetastase hinter dem Geschehen hier steckte. Und allem Anschein nach war er nicht der Einzige, der seinen Fehler mit dem Leben bezahlen würde: Madame Patchouli, wie er Ky Finnegans schrille Eso-Nachbarin gestern tituliert hatte, lag rücklings im Sand, schrie panisch. Obwohl sie sich wand und mit Händen und Füßen wehrte, pinnte der Kojote, der auf sie gesprungen war, sie mühelos am Boden fest. Der andere war bei Zamorra verblieben. Er wartete. Auf das Flackern der Schutzkuppel. Darauf, seinem Gegner den Gnadenstoß zu versetzen.
    »Professoooor!«
    Lennys entsetzte Rufe wurden lauter. War der Kleine etwa wahnsinnig genug, näher zu kommen? Das wäre sein sicherer Tod!
    Wieder sprang der Kojote gegen die Energie des Amuletts an. Er prallte ab, doch die Kuppel verging.
    Zamorra hob den Kopf. Er war der Ohnmacht nahe. Trotzdem konnte er noch erkennen, wie das Geistervieh weiter da hockte, wartete. Worauf? Was wollte es denn noch? Sein Gegner war wehrlos? Warum setzte es nicht zum Siegeszug an und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher