Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
097 - Leichenvögel

097 - Leichenvögel

Titel: 097 - Leichenvögel
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
dem unteren Schnabel.
    Das
unheimliche Tier zog kräftig. Krümlige Erde spritzte in alle Richtungen
auseinander. Der Arm war nun bis zur Schulter zu erkennen. Dann kam der Kopf
heraus. Der riesige Vogel zerrte den Oberkörper unter der dünnen Erdschicht
hervor.
    Twister
kam dies alles vor wie ein Alptraum.
    Der
Tote lag ohne Sarg in der Erde.
    Die
Leiche war noch gut erhalten, soweit er dies von seinem Standort aus beurteilen
konnte. Aber das war doch eigentlich nicht möglich. Im Dorf hieß es, daß dieser
Friedhof seit Jahren nicht mehr benutzt würde. Diese Leiche aber sah nicht so
aus, als ob sie seit Jahren hier gelegen hätte.
    Twister
wagte sich einen Schritt weiter vor. Hinter einer morschen Engelstatue, die
statt eines Kreuzes die letzte Ruhestätte eines Verblichenen zierte, suchte er
ein neues Versteck.
    Von
hier aus hatte er eine bessere Sicht, da ihm das kahle Geäst einer uralten
Weide nicht im Weg stand.
    Er
stützte sich auf den Engel ab.
    Das
hätte er nicht tun sollen.
    Der
Sandstein hielt den Druck nicht aus. Der Unterarm des Grabengels brach knackend
weg wie ein Stück Gips und landete dumpf auf dem eingesunkenen Grabhügel.
    Der
Geier warf den Kopf empor. Mit wildflammenden Augen blickte er sich um, ließ
seine makabre Beute los und erhob sich mit mächtigen Flügelschlägen.
    Im
ersten Moment hatte Twister das Gefühl, als trügen die Schwingen seinen Kopf.
    Er
duckte sich. Der Vogel zog über ihn hinweg und tauchte in der Nacht unter.
     
    ●
     
    Zwei
volle Minuten brauchte der Inspektor, sich von dem Schreck zu erholen. Er
ärgerte sich, daß er sich so dumm angestellt hatte.
    Der
Vogel war weg, aber die Leiche war geblieben.
    Twister
ging auf das aufgepflügte Grab zu.
    Der
Tote lag mit dem Gesicht auf dem Boden, schlaff lagen die Arme und Beine neben
dem etwas eingedrückt wirkenden Körper.
    Unwillkürlich
rümpfte er die Nase, als schlüge ihm Verwesungsgeruch entgegen. Doch das war
nur Einbildung. Es roch nach kalter, frischer Scholle.
    Twister
ging in die Hocke. Vorsichtig drehte er die Leiche herum, die in einer
einfachen, niedrigen Grube gelegen hatte, die weder mit einem Kreuz noch mit
einem Stein versehen war.
    Der
Inspektor stöhnte leise auf, als er das Gesicht des Mannes sah, den der Vogel
da aus der Erde gepickt hatte.
    In
seiner Brieftasche befand sich eine Fotografie dieses Mannes, den seine
Abteilung wie eine Stecknadel suchte.
    Der
Tote war David Gander.
     
    ●
     
    »Sie
sind sehr neugierig. Finden Sie, daß dies zu etwas führt?« vernahm er die Stimme
hinter sich.
    Twister
wirbelte herum.
    Eine
Frau stand vor ihm. Sie war in ein dunkles Gewand gehüllt, das bis zu ihren
Füßen hinab reichte. An dem Wollgewand war eine Kapuze befestigt, die jedoch in
den Nacken gerutscht war. Ihre grauen Haare flatterten im Wind. Wie die Alte
dort stand, kam sie ihm vor wie eine Hexe aus dem Märchenbuch.
    Ensebeth
Mallory.
    Ihr
verwittertes Gesicht wirkte wie zerknittertes Pergament. Die dunklen Augen
glühten wie Kohlen. Jonathan Twister schraubte sich langsam in die Höhe. An
diesem Abend war wirklich alles dran, und dabei war noch lange nicht
Mitternacht, sonst hätte er dies alles für einen Spuk gehalten.
    »Missis
Mallory?« fragte er verwundert. »Was machen Sie denn hier?«
    »Das
gleiche könnte ich Sie fragen, Mister Twister.« Sie hatte ihn sofort wiedererkannt.
Er war vor drei Tagen in ihrem Haus gewesen und hatte mit ihr gesprochen.
    Sie
lachte leise. Es lief ihm eiskalt über den Rücken.
    Mit
dieser Frau war nicht alles in Ordnung. Er mußte sich im stillen eingestehen,
daß er Angst vor ihr hatte.
    »Ist
das ein Hobby von Ihnen, nach Einbruch der Dunkelheit auf verlassenen Friedhofen
herumzustreifen?« Ihre Frage klang provozierend. Er kam sich in ihrer Gegenwart
klein und armselig vor und kannte sich selbst nicht wieder.
    »Was
wissen Sie über Mister Gander?« fragte er mit rauher Stimme, der er vergeblich
Festigkeit zu verleihen suchte.
    Unwillkürlich
senkte er den Blick und betrachtete die Leiche, als müsse er sich vergewissern,
ob das auch wirklich Gander sei.
    »Das
ist eine längere Geschichte, Mister Twister. Aber wenn Sie wollen – ich erzähle
sie Ihnen gern.« Sie kam zwei Schritte näher. Das schwarze Gewand schleifte auf
dem Boden. Es sah aus, als ob sie schwebte. Das verstärkte Twisters ungutes
Gefühl.
    »Gander
kam zu mir und wollte ein paar alte Sachen von mir haben. Es kommt nicht jeden
Tag vor, daß ein junger Mann mich besucht. Da dachte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher