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0945 - Die Energiejäger

Titel: 0945 - Die Energiejäger
Autoren: Unbekannt
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Standardmaterie wird das Doppelte dieses Betrags, also zehn bis zwanzig Kilogramm, restlos zu Energie zerstrahlt. Die insgesamt freigesetzte Energie ist das Produkt aus Masse und dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Eine solche Explosion könnte unter Umständen den Planeten in Stücke zerreißen."
    „Dann müssen wir eben besonders vorsichtig zu Werke gehen und darauf achten, daß kein Noran in Richtung Irrläufer abtreibt."
    „Wie willst du das garantieren?"
    „Ich? Ich hatte mich da mehr auf dich verlassen, mein anvertrauter Freund."
    „Ich werde sehen, was sich tun läßt", sagte Ongelsken niedergeschlagen.
    Er saß eine ganze Weile still in der halbdunklen, mit Kommunikationsgeräten vollgepfropften Baracke und überließ sich dem Gefühl der Verzweiflung, das in ihm aufstieg. Er konnte Zwadivar keinen Vorwurf machen. Er selbst hätte wissen müssen, worauf er sich einließ, als er Zwadivars Angebot annahm.
    Wie immer, wenn er sich niedergeschlagen und verlassen fühlte, stellte er sein lädiertes Selbstbewußtsein wieder her, indem er sich an jenen glorreichen Augenblick erinnerte, an dem er zum ersten Mal aus dem Prozeß einer Selbstteilung hervorgegangen war, ohne dabei seine Identität zu verlieren.
     
    *
     
    Die ersten Symptome hatten sich wie üblich frühzeitig bemerkbar gemacht. Körper und Bewußtsein befanden sich in einem Zustand stetig wachsender, glückhafter Erregung. Der Nahrungsbedarf stieg sprunghaft an, und innerhalb weniger Tage hatte sich Ongelskens Körpervolumen fast verdoppelt.
    Am achten Tag, nachdem er das erste Anzeichen verspürt hatte, begab sich Ongelsken in die Klinik eines ihm bekannten Arztes, um dort den Prozeß der Selbstteilung zu vollziehen. Er befand sich jetzt bereits in dem Zustand der Euphorie, die die Natur dem Fortpflanzungsprozeß beigesellt hat, auf daß es ihren Geschöpfen leichter falle, das Gebot des Sichmehrens zu befolgen. Die jubelnde, alles überwältigende Glückseligkeit, die Ongelsken empfand, als er spürte, daß er plötzlich sechs Sehzentren anstatt nur drei, zwei Sprechorgane anstatt nur eines, sechzehn motorische Nervenknoten anstatt nur acht besaß, war ein Erzeugnis des Instinkts, des Unterbewußten. Für Logik und zusammenhängende Überlegung war in diesem Zustand des überschäumenden Glücks kein Raum mehr.
    Und dennoch empfand Ongelsken, tief im Hintergrund seines Bewußtseins, ein leises Unbehagen, als sich die Tür des Raumes hinter ihm schloß, in dem er zu bleiben hatte, bis das Unvermeidliche vollzogen war, und den er nicht allein verlassen würde. Er hatte vage Erinnerungen an ähnliche Vorgänge, die sich in der Vergangenheit abgespielt hatten. Immer war der Euphorie ein ernüchterndes, unerfreuliches, zur Verzweiflung treibendes Erwachen gefolgt. Er erinnerte sich, in einer Umgebung zu sich gekommen zu sein, die ihm als Ganzes fremd war, obwohl er jedes ihrer Bestandteile kannte. In sein Gedächtnis waren Situationen eingeprägt, in denen er krampfhaft versuchte, sich seines Namens zu erinnern, obwohl dieser ihm auf dem Sprechband lag, oder seine acht Extremitäten zu kontrollieren, wo er doch solches sein ganzes Leben hindurch getan hatte.
    Das waren die häßlichen Symptome des Identitätsverlusts. Er trug den gesamten Bewußtseinsinhalt des Vorkörpers in sich, aber er war nicht mehr identisch mit dem Träger des Vorkörpers. Dessen Identität war entweder verlorengegangen, oder sie hatte sich dem Gleichgeborenen, seinem Bruder, übertragen. Der identitätslose Nachgeborene befand sich in einer vertrauten Welt, die er nicht begriff, er besaß Fähigkeiten, die er nicht anzuwenden wußte, und wurde von Erinnerungen geplagt, die nicht die seinen zu sein schienen. Mehrere Tage verbrachte er in einem Zustand der Unsicherheit und Verzweiflung, bis sich schließlich in ihm ein neues Ich zu bilden begann, das sich in der Welt zurechtfand, die Fähigkeiten des Körpers und des Geistes in den Begriff bekam und die fremden Erinnerungen entweder abwarf oder als die eigenen adoptierte.
    Solches waren die Gedanken, die sich hier und da durch den Vorhang der Euphorie drängten, der Ongelsken umhüllte. Sie waren nicht nachhaltig genug, um die allumfassende Glückseligkeit zu stören. Sie verursachten lediglich jenes leise Unbehagen, um dessen Betrag sein Glücksgefühl vom Optimum entfernt war.
    Schließlich verlor er das Bewußtsein. Zu dieser Zeit spürte er schon die Einschnürung, die sich des Längsumfangs seines Körpers ausgebildet
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