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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle
Autoren: Simon Borner
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Little.
    »Zweifellos. Nach allem, was Jenny mir erzählt hat, hat er einen Bezug zur Quelle, den wir noch nicht kennen. Er… weiß zu viel, um als Auserwählter zu gelten - und die jüngsten Entwicklungen in der Unit geben Grund zu der Annahme, dass sich seine Talente nicht allein auf die Kenntnis von übersinnlichen Phänomenen beschränken.«
    »Die Anfälle. Was immer in die Insassen der Huntsville Unit gefahren ist, ging von unserem Mister Little aus. Von dem, zu dem er wird, wenn er eine seiner epileptischen Eskapaden hat.«
    »Die alles andere als epileptische Eskapaden sind, versteht sich«, pflichtete Gryf bei. Der Silbermond-Druide hatte seinem französischen Freund und Mitstreiter bisher nur einen rudimentären Überblick über seine Erlebnisse und Schlussfolgerungen geben können, zu mehr fehlte ihm einfach die Zeit. Und auch nun galt es, zu handeln. Wissenslücken ließen sich auch füllen, sobald alles vorüber war. Sofern es dann noch dazu kam.
    »Die Sache mit Mike, dem Kameramann, zum Beispiel«, sagte Zamorra. »Ich war nicht dabei, aber deiner Schilderung nach - und dem, was ich noch von der Revolte miterlebt habe - war das eindeutig ein Fall von mentaler Fremdbeeinflussung.«
    »Habe ich zu spät reagiert?«, fragte Gryf plötzlich. Seine sonst so jovial und fröhlich klingende Stimme war leise, und er klang nahezu zerknirscht. »Zwölf Tote, Zamorra. Gehen die auf unsere Kappe? Auf mich?«
    »Nein«, antwortete der Professor bestimmt - und aus tiefster Überzeugung. »Unser Mister Little ist ein Zufall, zumindest bis wir seine Bedeutung überprüft und ihn in den richtigen Kontext gesetzt haben. Niemand kann von dir verlangen, im Voraus für jeden Zufall gewappnet zu sein. Das ist nicht menschenmöglich.«
    »Ich bin kein Mensch.«
    Für einen Moment schwieg Zamorra. Dann fragte er leise: »Wer von uns ist das schon noch?«
    Über ihnen tickte die Uhr vor sich hin, eine konstante Erinnerung an die verstreichende Zeit. Zeit, die sie vielleicht gar nicht mehr hatten.
    »Lass uns anfangen«, sagte der Dämonenjäger. »Retten, was noch zu retten ist. Ich… kann mich irren, aber wenn ich spekulieren müsste, würde ich sagen, Omar hat irgendetwas angezapft. Eine Energiequelle, die zu groß für ihn war. Und die würde ich gerne finden.« Bei diesen Worten konzentrierte Zamorra sich schon auf die Magie, die er zu wirken beabsichtigte. Es war kein großer Eingriff, kostete ihn nur wenig Mühe - und mit der Unterstützung des Silbermond-Druiden sollte es ein Leichtes werden.
    Gryf schluckte. Dann trat er hinter Omar, legte ihm die Hände auf die Schultern und öffnete ebenfalls seinen Geist. »Kann losgehen.«
    ***
    Die Welt ist ein Ozean aus Erinnerungsfetzen. Sie sind tosende Wellen, vom Sturm gepeitscht, und sie alle schlagen gleichzeitig über dem Meister des Übersinnlichen zusammen.
    Zamorra hat den Blick in Omar Littles Augen gerichtet, seinen Verstand dem Bewusstsein des Gefängnisinsassen geöffnet - genau wie Gryf. Und genau wie der Druide vom Silbermond sieht er Bilder von so erschreckender Intensität, dass sie ihm kurzzeitig den Atem rauben.
    Ein ganzes Leben passiert Revue, Omars Leben. Spirale aus Gewalt und Gegengewalt, aus der Rebellion gegen die Staatsmacht und dem ungeschriebenen Gesetz der Straße. Dem »Spiel«, wie die corner boys und Drogenbosse es nennen. Hierarchie der Illegalität. Und Omar Little ist ein Meister dieses Spiels, beherrscht es wie kaum ein Zweiter. Er hat das Zeug und die Skrupellosigkeit, es in dieser »feinen« Gesellschaft, deren Grundpfeiler ironischerweise auf Ehre und Loyalität beruhen, ganz an die Spitze zu schaffen. Die Straße kennt Omars Namen, fürchtet ihn sogar.
    Und doch…
    »Es sind die Aussetzer«, murmelte Zamorra in die Stille des Verhörzimmers hinein, das Bewusstsein gefangen von den Eindrücken, die von jenseits des Tisches auf ihn einprasselten. »Die Anfälle. Sie grenzen ihn aus.«
    Weiter. Immer weiter hinein in die Bilder.
    Omars Attacken. Zunächst bemerkt er sie gar nicht. Kriegt nicht mit, wie er die Kontrolle über den eigenen Körper verliert. Es dauert anfangs nur Sekunden, und das realisiert er kaum. Er weiß nur, dass er mal blinzelt und die Glühbirnen der Straßenlampen plötzlich nicht mehr gehen.
    »Weil er ihre Energie aufgesaugt hat.« Gryf wusste nicht, woher er diese Gewissheit hatte. Er wusste nicht einmal, dass er die Worte aussprach. Doch das tat er. Das hatte er.
    Weiter.
    Mit der Zeit werden die Sekunden länger.
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