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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
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Kopf. Wie oft hatte sie jetzt schon dieses Pseudo-Ritual abgehalten? Noch nie war dabei irgendetwas Derartiges passiert.
    Sie ging noch einen Schritt nach vorn. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihr Paulette Blazon, die ihr ermutigend zuwinkte. Wenn das da ein Geist ist - nein, das kann gar keiner sein , korrigierte sie sich sofort zornig. Deshalb hat wahrscheinlich der Tee gestern bei Gaston so bitter geschmeckt, er wird Gras mit ins Teesieb getan haben. Oder die Kekse zum Tee waren damit versetzt! Er ernährt sich ja praktisch von dem Zeug.
    Sie ging noch einen Schritt nach vorn. Wahrscheinlich war das hier kein anderer als Gaston selbst! Er hatte einen der Freunde an der Opera dazu gebracht, ihn nach allen Regeln der Kunst zu schminken, und sie hatte sich ins Bockshorn jagen lassen!
    Yasmina wollte schon losbrüllen, was Gaston denn wohl einfiele, sie so hereinzulegen, da sah sie es.
    Ein Schatten in der anderen Ecke des Zimmers, in der schmalen Nische hinter der Anrichte. Ein Schatten, der immer dunkler wurde und alles Licht in der Umgebung schluckte. Eine Finsternis, die immer dichter wurde und eine Form anzunehmen schien.
    In diesem Moment brach in dem kleinen Wohnzimmer der Blazons die Hölle auf Erden aus.
    ***
    Der Shinigami brauchte nicht lange, um sich zu orientieren. Er hatte, in der Erwartung, den Dämon zu finden, nach dem er suchte, zuerst sein Kâtana schlagbereit über den Kopf gehalten und sich umgesehen.
    Ein Raum, der ordentlich und sauber, wenn auch altmodisch eingerichtet war, Möbel, die sich schon lange Jahre an den Stellen befanden, an denen sie standen. Eine Unmenge Kerzen waren angezündet worden und jetzt bemerkte der Shinigami auch, dass ein ungewöhnliches Möbelstück mitten im Zimmer aufgestellt war: ein Krankenbett. Er sah auf den Todkranken herab, der dort lag und der erschrocken zu ihm heraufblickte, aber keinen Ton von sich gab.
    Der Shinigami sah sich vorsichtig um. Er spürte eine seltsame Aura in diesem Raum und erkannte, dass diese hauptsächlich von den weißen Kreidezeichen ausging, die nicht sehr sorgfältig um das Bett des Kranken gemalt worden waren. Ein Sigill, dachte der japanische Totengeist und betrachtete die Zeichen genauer. Offenbar eine Art Abwehrzauber. Nein, halt, es war eine Beschwörung, die eindeutig weißmagisch war, aber einen Geist wie ihn rufen sollte. Ganz offenbar die Magie, die ihn hierher geholt hatte. Allerdings war das Sigill wirklich alles andere als sauber gezeichnet. Der Shinigami runzelte die Stirn. Wusste der Zeichner denn nicht, dass bei der Zeichnung eines Sigills größte Sorgfalt zu herrschen hatte? Es konnte passieren, dass statt des gewünschten Dämons oder guten Geistes, den man beschwören wollte, genau das Gegenteil erschien.
    Er fragte sich, wer die Zeichen gemalt hatte. Sein Blick strich über das Zimmer und blieb an zwei Frauen hängen. Die eine, ganz offenbar älter und dicker als die andere, hatte ein weißes Taschentuch an den Mund gepresst und stupste die andere, eine jüngere Frau, die offenbar orientalischer Herkunft war, nach vorn.
    Überrascht erkannte der Shinigami, dass die jüngere Frau ihn entsetzt anstarrte. Sie kann mich sehen. Das gelingt nur wenigen Menschen, meist solchen, die magisch begabt sind. - Sie war es, die die Kreidezeichen auf den Boden gemalt hat , durchfuhr es ihn plötzlich. Eine Weißmagierin also.
    Doch bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, spürte er hinter sich etwas Düsteres. Dunkles. Er hörte, wie der Kranke im Bett aufstöhnte, und fuhr herum.
    In der Ecke hinter dem Bett, in der es sowieso dunkel gewesen war, hatte der Schatten Substanz angenommen. Er war bereits halb über das Bett und in den Mund des Kranken gekrochen, der noch einmal aufstöhnte und entsetzt versuchte, den Schatten abzuwehren.
    Der Shinigami stieß einen Schrei aus und stürzte nach vorne, doch der Schatten wich zurück an die Wand. Der Shinigami hielt inne, richtete sein magisches Schwert auf die dunkle Ecke und begann, die Beschwörungsformeln zu rezitieren, die den Dämon bannen sollten, sodass er ihn zu seinem Auftraggeber bringen konnte.
    »Paulette!«, hörte er hinter sich einen Ruf. »Paulette, gehen Sie von Claude weg!« War das die Weißmagierin? Er versuchte, ihre Stimme und auch die Stimme der schluchzenden dritten Person aus seinem Geist auszuklammern, aber es war zu spät. Er würde mit den Formeln von vorne beginnen müssen. Konzentriert richtete er die Schwertspitze wieder in die Richtung
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