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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
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so frei gewesen zu sein. Doch immer dann, wenn Nicole sich daran gewöhnt hatte, wenn klar war, dass sie offenbar eine gewisse Macht über diese Landschaft in der Hölle hatte, dann erwachte Panik in ihr. Panik vor einem Schatten, der sie jagte, einem Wesen, das noch viel mächtiger war als sie, die lächerlich kleine und unwichtige Dämonenjägerin, und das ihr Leben jederzeit hätte beenden können: Ein Dämon - denn es musste ja ein Dämon sein! - namens CHAVACH. Seine Macht schien so groß zu sein, dass sie sich daneben wie ein Wurm fühlte, der es kaum verdient hatte, von diesem übermächtigen Wesen in den Staub getreten zu werden.
    An diesem Punkt ihres Traums, immer an dieser Stelle, an der sie erkannte, wie mächtig dieser CHAVACH wirklich war, wurden ihr die Flügel, die sie über die höllischen Landschaften getragen hatten, schwer und sie drohte in den See zu den unglücklichen, gepeinigten Seelen und den Monstern, die darin hausten, zu fallen, so schwer wie ein Stück Blei.
    Doch damit nicht genug. Am Rand des Lavasees hing ein hässlicher Dämon an der Felswand, winzig zwar, aber er schien unglaubliche Energien an sich zu ziehen. Wieder und wieder zuckten Blitze um ihn herum und verschwanden in seinem schmächtigen Körper, ohne dass es ihm etwas ausmachte. Ja, er schien die Qual, die ihm die Blitze zufügten, sogar zu begrüßen und zu genießen, und Nicole fragte sich immer wieder, ob sie vor dieser Karikatur eines Prometheus nicht vielleicht noch mehr Angst haben sollte als vor CHAVACH.
    Das Schlimmste war, dass Nicole nicht die geringste Ahnung hatte, was das alles sollte. Und warum sie überhaupt so einen Quatsch träumte - der dann auch noch so intensiv war. Sie ließ das heiße Wasser über ihren Körper prasseln und versuchte, die derart lebendig wirkenden Bilder, die sie so beunruhigten, zu verscheuchen.
    Es heißt ja immer, dass Träume nichts weiter sind als der Spiegel der Seele. Oder, wenn es nach Freud geht, der Spiegel des Unbewussten. Wenn sie danach ging, überlegte Nicole, während sie sich abtrocknete und sich selber ein paar Grimassen im Spiegel schnitt, dann bedeutete das, dass sie Angst vor etwas hatte, das ihr im wirklichen Leben begegnet war. Sie musste bei dieser Idee lachen. Hatte sie vielleicht Angst vor Dämonen?
    Na, das wäre es ja noch gewesen. Seit über 30 Jahren Dämonenjägerin und jetzt Mitarbeiterin der deBlaussec-Stiftung für die Opfer dämonischer Aktivitäten. Kommt ja passend , dachte sie sarkastisch. Ich werde doch nicht auf einmal Angst vor irgendwelchen Dämonen haben, das wäre ja noch schöner.
    Aber dann kam ihr eine weniger lustige Idee. Was, wenn sie wirklich Angst hatte? Angst vor der Einsamkeit? Nicoles Bürstenstriche wurden langsamer. Sie sah sich selbst im Spiegel. Allein. Sie musste sich eingestehen, dass sie die verrückte Gesellschaft auf Château Montagne wirklich und ehrlich vermisste. Die Streitereien von Rhett und Fooly, die würdevolle Steifheit von Butler William, die schimpfende und den Kochlöffel schwingende Madame Claire, die Freunde im Dorf… und nicht zuletzt den Chef. Zamorra.
    Scheint, als würde mich etwas zu ihm zurücktreiben wollen , dachte sie und nahm die Bürstenstriche wieder auf. Das Kastanienbraun war am schönsten, wenn es ordentlich gebürstet war. Sie wollte nicht über das Schloss und seine Bewohner - ihre Familie! - nachdenken. Es stand für Nicole fest, dass sie im Moment nicht nach Hause - nach Hause! - zurückkonnte. Woran das lag, wusste sie nicht. Am wahrscheinlichsten schien ihr noch die These, dass es etwas mit dem Amulett zu tun hatte, das nach Merlins Tod nicht mehr richtig funktionierte und mit dem sie ja manchmal, in besonders schweren Fällen, zum FLAMMENSCHWERT verschmelzen konnte. Vielleicht war ihre Aversion gegen Château Montagne und den Besitzer des Amuletts, Zamorra, ja auf diese Fehlfunktion zurückzuführen - und würde sich in Nichts auflösen, wenn das Amulett von diesem Teufel Asmodis repariert worden war.
    Und wenn das nie passiert? Teufel bleibt immerhin Teufel.
    Nicole dachte den Gedanken wohlweislich nicht zu Ende.
    Als sie in ihre kleine Küche kam, wurde es über dem gegenüberliegenden Häuserkamm gerade etwas heller. Sie sah sich um. Hier war es ihr zu einsam. Sie brauchte Gesellschaft.
    Das Café von Alphonse unten an der Ecke hatte sicher schon offen. Dort würde auch eine neue Ausgabe der Klatschzeitung »Paris Flash« auf sie warten, eine große Tasse Milchkaffee und vielleicht
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