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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann
Autoren: Jason Dark
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vorgestreckten Arm, damit auch auf ihre Hand, die sie kurz zur Faust ballte, dann streckte sie die Hand aus.
    Bei ihr war alles normal. Sie lebte. Die Fliegen waren verschwunden. Aber sie hockte auf dem Grab, den Stein im Rücken, und sie starrte dabei ins Leere.
    Aus den Augen war der Glanz verschwunden. Ein Spiegel hätte ihr das sicherlich bewiesen. Jovanka wußte auch, daß sie nach Hause mußte. Nicht etwa, weil man sie vermißt hätte, sie war Witwe, aber es galt, die Katzen und Hühner zu füttern. Auch die beiden Schweine wollten versorgt werden.
    Das hatte sie immer getan. Tag für Tag. Es gab nun mal diese Regeln, Tiere und Menschen waren daran gewöhnt, und alles lief seinen normalen Gang.
    Bis heute.
    Jetzt hockte sie auf einem fremden Grab, wollte hochkommen, wußte daß sie aufstehen mußte, aber sie schaffte es nicht, den Körper in die Höhe zu drücken.
    Zu schlapp und zu ausgelaugt war sie.
    Trotzdem gelang es ihr nach einer Weile, den inneren Schweinehund zu überwinden. Mit der rechten Hand stemmte sie sich auf der weichen Graberde ab, dann drückte sie den Körper hoch, fiel aber wieder zurück, weil sie es nicht mehr schaffte.
    »Es ist so sonderbar«, flüsterte sie vor sich hin. »Aber ich werde wohl hier sitzenbleiben.« Sie war verstummt, aber ihre Lippen bewegten sich weiter, als wollte sie etwas kauen, das sich in ihrem Mund versteckt hielt. Sie kaute, sie probierte, und sie saß plötzlich da, ohne sich zu bewegen. Aber die Bewegung spürte sie trotzdem, und sie hatte nur indirekt mit ihr zu tun.
    Etwas steckte in ihrem Mund.
    Es kitzelte, es krabbelte. Es schien sich zwischen den Zahnstümpfen verborgen gehabt zu haben und hatte es endlich geschafft, die Freiheit zu erlangen.
    Sie probierte, wollte schlucken, aber was immer sich im Mund bewegte, ließ sich nicht beirren. Auch in ihren Ohren kitzelte es plötzlich, und die alte Frau zuckte mehrmals zusammen, als hätte man sie mit kaltem Wasser bespritzt.
    Schließlich aber öffnete sie den Mund. Den rechten Arm hatte sie vorsichtig in die Höhe genommen und die Hand dabei so gedreht, daß die Finger in Richtung Mund zeigten. Und dann zerdrückte sie auf den Lippen eine schillernde Fliege…
    ***
    »Freust du dich, daß du wieder nach London fliegen kannst?« fragte ich Jane Collins.
    Sie hob die Augenbrauen und antwortete mit einer Gegenfrage.
    »Freust du dich darüber, daß du hier in Frankfurt hast zwischenlanden dürfen, um anschließend weiter nach Dresden fliegen zu können, wo dich dein Freund Harry Stahl erwartet?«
    Ich lehnte mich zurück und schaute in die mittlerweile leer getrunkene Kaffeetasse, wo nur mehr bräunlicher Schaum an den Innenseiten klebte. »Ich will dir eine ehrliche Antwort geben, Jane. Ich freue mich nicht darauf, und ich will dir auch den Grund nennen. Ich würde lieber mit dir nach London fliegen und diejenige Person in die Arme schließen, die dem Tod soeben von der Schippe gesprungen ist. Lady Sarah muß ein irrsinniges Glück gehabt haben, und ihr Leben hat sie Shao und Suko zu verdanken. Ich würde gern wissen, wie es dazu gekommen ist, was deine Feindin, die Hexe Beth Calvao, alles in Bewegung gesetzt hat, um Sarah zu töten, aber das wirst du mir sicherlich alles später erzählen, wenn die Sache in Tschechien beendet ist.«
    »Was weißt du denn darüber?«
    Ich hob die Schultern.
    »So gut wie nichts. Harry hat mich nicht eingeweiht oder nicht einweihen wollen. Er hat aber von gewissen Altlasten gesprochen, die weggeräumt werden müssen, und da haben wir beide ja schon einiges gemeinsam durchstanden, wie du weißt. Jedenfalls hat auch Sir James schon das Okay gegeben, und ich werde den einmal angebissenen Apfel auch aufessen.«
    Jane schmunzelte und legte ihre Hand auf die meine. »Weißt du, John, so gern ich dich auch begleiten würde, aber heute bin ich froh, wieder zurückfliegen zu können. Ich muß mir Sarah ansehen, ich muß mit ihr sprechen, ich muß in das Krankenhaus, in dem sie liegt. Wir wissen, daß sie einige Verletzungen hat, auch eine leichte Gehirnerschütterung, und ich mache mir jetzt Vorwürfe, daß ich sie überhaupt allein gelassen habe.«
    »Das ist Unsinn.«
    Sie zwinkerte mit zu. »Würdest du an meiner Stelle nicht auch so denken?«
    Ich umging eine Antwort und fragte sie, ob sie noch einen Kaffee wollte.
    »Nein, einer reicht mir.«
    »Etwas zu essen?«
    Jane lachte mich an. »Hör auf, John, du hast dich um eine Antwort gedrückt, was mir wiederum beweist, daß du trotz
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