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0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD
Autoren: Simon Borner
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treu ergebener Untertan, richtig? So einer kneift nicht einfach.«
    »Ich kann immer noch einen Funkspruch absetzen«, sagte Nathaniel trotzig. Er wusste nicht, woher er den Mut dazu nahm. Die Worte waren einfach da, strömten nahezu ohne sein Zutun aus seinem Mund. »Ich kann Invergordon wissen lassen, was hier draußen geschieht, und der Hafen wird…«
    McNulty schlug ihm mit dem Lauf seiner Waffe so fest ins Gesicht, dass Nathaniel taumelte. Warmes Blut lief ihm die rechte Wange hinab, tropfte auf seine Schulter und benetzte die dunkle Marineuniform.
    »Schwätzer!«, brauste der Commander auf. »Besserwisserischer Narr! Man sollte dich an den Ohren aufs Oberdeck nageln, du jämmerliches Stück Dreck. Was weißt du denn schon, hä? Was steht denn da in den beschissenen Papieren, die du durchs Schiff trägst, als wären sie ein Schatz? Du hast ja keine Ahnung, was du gesehen hast! Was es bedeutet! Aber nein, du erdreistest dich nichtsdestotrotz, eine Meinung zu haben.«
    McNulty hob die Waffe erneut und richtete ihren Lauf direkt auf Nathaniels Stirn. Sein Finger zuckte am Abzug.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, presste Nathaniel zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, jedes mühsam herausgeschnaufte Wort ein Triumph des Geistes über die Todesangst. Seine halb erhobenen Hände zitterten mit seiner Stimme und seinen Nasenflügeln um die Wette. »Und ich weiß, dass es nicht richtig ist. Ich weiß, dass Sie das Schiff sprengen wollen, um zu verhindern, dass wir ihn aufhalten.«
    McNulty schmunzelte. »Respekt, Soldat. Und deine Schlussfolgerung?«
    Nathaniel schluckte. »Dass Lord Winterbottom recht hatte. Er existiert tatsächlich, irgendwo da draußen. Und er kommt näher.« Dem jungen Maschinisten war, als träfe ihn die Wucht dieser Erkenntnis erst nun, da er sie selbst laut aussprach. Alles war wahr - der ganze Blödsinn, die absurden Details dieser Mission. Es stand unmittelbar bevor. Und wenn sie es nicht stoppten, mochte Gott allein wissen, was aus der Welt werden würde.
    »Er ist sogar schon so gut wie hier«, bestätigte das McNulty-Ding süffisant. »Und mit ihm der Tod…« Seine Stimme wurde ein Flüstern, spöttisch und voller Hohn. »Frohes Neues Jahr, Nate! Ich hoffe, du hast dir noch keine Vorsätze gemacht. Sonst müsstest du sie nämlich alle, alle brechen.«
    Ein Klicken erklang, als die Kreatur die Sicherung der Waffe löste. Nathaniel Fisher schloss die Augen und dachte an England. Den Schuss, der zwei Sekunden später durchs Innere des Schiffes hallte, hörte er nicht mehr.
    ***
    Aus den Archiven des Invergordon Examiners. Kommentar des Herausgebers, Ausgabe vom 1. Januar 1916
    HMS NATAL ZERSTÖRT - STECKT DER FRITZ DAHINTER?
    Invergordon. Die HMS Natal , Panzerkreuzer der Marine Seiner Majestät Georgs V., wurde am gestrigen Nachmittag Opfer einer Kette von mysteriösen Explosionen, welche das stolze Schiff vollends entzweirissen. Gegen 15 Uhr 20 erhellte ein Flammenball, gleißender als das größte Neujahrsfeuer, den Cromarty Firth, in dem der Kreuzer vor Anker lag. Knapp 400 Mann der Besatzung gingen mit der Natal in den Tod, darunter auch ihr tapferer Führungsstab.
    Diese unfassbare Tragödie läutet ein Jahr voller Spekulationen ein. Wer steckt hinter dem Untergang des Schiffes Seiner Majestät? Ist es der dreimal verfluchte Fritz, wie die aufgebrachten Einheimischen zu beteuern nicht müde werden? Trägt ein Unfall im Munitionslager der Natal die Schuld an ihrem unrühmlichen Ende, wie uns London schnell - und vielleicht ein wenig zu schnell - glauben machen will? Oder ist gar etwas Wahres an den Gerüchten, nach denen Augenzeugen im Firth ein U-Boot gesehen haben wollen, das die Natal angriff? Wir werden es möglicherweise nie erfahren, doch eines ist gewiss: Dieses zweite Kriegsjahr beginnt mit einem Mysterium immensen Ausmaßes.
    Und nie zuvor hat Hogmanay ein derart hohes Opfer gefordert.
    Rule, Britannia!
    Kapitel 2 - Zamorra: Unheimliche Lieferung
    Sorbonne, Gegenwart
    Es klang grausam, herzlos und arrogant, aber es war so: Die Trauer stand ihr gut. Zamorra kannte Florence seit einer halben Ewigkeit und hatte seinem alten Kollegen von der Sorbonne so manches Mal zu seinem Glück gratuliert, ausgerechnet einer solchen Schönheit genug imponiert zu haben, dass Florence mit ihm den Bund fürs Leben eingegangen war. Doch so unfreiwillig atemberaubend, wie sie sich ihm nun darbot - den rechten Arm auf den Türrahmen gelehnt, während die Finger der linken Hand nervös mit
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