Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
Hautfetzen hingen zwischen den Schneidezähnen. Evan ahnte, woher sie stammten, und für einen Moment war ihm, als fröre sein Herz ein.
    Weg hier.
    Sein ganzer Körper schrie danach, aufzustehen und den Raum zu verlassen, doch der Sergeant der Invergordon Police war unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen. Starr vor Schreck hockte er da, während das Quallenwesen mit schlurfenden Schritten und ausgestreckten Armen wieder näher kam. Die Augen des Unheimlichen waren schwarze Murmeln in einem Gesicht, dem kaum noch etwas Menschliches anhaftete. Breite Hände, glänzend wie Wackelpudding, näherten sich Evans Kehle. Sie waren kalt wie der Firth.
    »Nein!« Die ekelhafte Berührung ließ irgendeinen Widerstand in ihm zerbersten. Evan riss sich los, ließ sich nach hinten fallen und rollte sich über die Schulter ab. Als er wieder aufkam, hielt er seine Dienstwaffe in der Rechten. Der metallene Schaft in seiner Hand verlieh ihm ein Gefühl von Sicherheit, wie er es seit Beginn dieses gottverdammten Einsatzes nicht mehr verspürt hatte.
    »Ganz ruhig, ja?«, sagte er drohend und richtete den Lauf der Waffe auf den unheimlichen Angreifer. Das Licht der Scheinwerfer vor den Fenstern ließ den Revolver silbern glänzen. »Ich will keinen Ärger.«
    Das Wesen blieb stehen, wirkte irritiert, »Genau so.« Evans Herz raste. »Einfach nicht bewegen.« Mit der Linken tastete er nach dem Funkgerät an seinem Gürtel. Er brauchte Verstärkung - und einen Arzt für Ellen. Dringend.
    Doch noch bevor er das Walkie-Talkie am Mund hatte, preschte das Monstrum vor. In einer Geschwindigkeit, die seinem trägen Aussehen Hohn sprach, stürzte es sich auf ihn - und riss ihn lautlos und mit nahezu tödlicher Präzision von den Füßen. Evan taumelte, verlor das Gleichgewicht und schlug mit dem Hinterkopf hart auf den nassen Boden des Unterdecks. Eiskaltes, brackiges Wasser umspülte sein Gesicht und raubte ihm für einen kurzen Moment den Atem. Die Wucht des Aufpralls ließ ihm die Waffe aus den Fingern gleiten.
    Scheiße, Scheißescheißescheiße.
    Das Quallenvieh war über ihm, presste ihn zu Boden. Sein widerwärtiges Maul weit aufgerissen, senkte es den Kopf zu ihm nieder. Evan schrie auf, als er die Hand gegen die abscheuliche, durchsichtige Stirn des Wesens drückte, um es von sich fernzuhalten. Wo war die Waffe? Großer Gott, er brauchte seine Waffe!
    Blindlings tastete er mit der Rechten über den Boden. Ein letzter rationaler Teil seines Verstandes wusste, dass der Revolver durch und durch nass geworden und vielleicht unbrauchbar war, selbst wenn er ihn fände. Doch die Panik, die den Großteil seines Seins bestimmte, übertönte ihn.
    »Glenister, Donovan, hier spricht Daniels.« Das Funkgerät! Der CI rief nach ihm. »Wir wären dann jetzt soweit. Ich bringe Greggs mit. Sind in zwei Minuten bei Ihnen.«
    Die Nachricht kam von einem Ort, der keine zehn Meter von Evan entfernt lag. Und doch kam es dem Sergeant vor, als höre er eine Stimme aus einer anderen Welt. Einer, in der die Naturgesetze hoch galten und keine Monster in den Schatten lauerten und auf unwissende Opfer warteten.
    »Danieeels!« Evan Donovan hatte keine Ahnung, wo das Gerät abgeblieben war, und obwohl er wusste, dass Daniels ihn nicht hörte, schrie er, so laut er konnte. »Danieeeeels!«
    Ein Fehler.
    Kaltes Wasser schwappte in seinen Mund, brachte ihn zum Husten. Der Druck seiner Hand ließ nach, und das Ungeheuer kam näher, immer näher…
    Da! Die Spitze seines Zeigefingers tippte gegen einen Widerstand.
    Heißer Atem auf seinen Wangen. Evan drehte den Kopf weg, doch das Ungetüm war überall, füllte sein gesamtes Sichtfeld aus. Es stank nach Moder, Fäulnis, Tod.
    Noch einen Zentimeter, einen halben…
    Als die Lippen des Widerwärtigen seinen Hals berührten, bekam Evan die Waffe zu fassen. Sofort riss er sie in die Höhe, rammte sie dem Wesen in die Seite und drückte ab.
    Nichts geschah.
    Zähne an seiner Halsschlagader. Breiige Finger auf seiner Stirn, an seiner Schläfe, die ihn ins Wasser pressten und ihm die Luft zum Atmen nahmen.
    Bitte!
    Evan schoss erneut, schoss ein drittes Mal - und plötzlich passierte es. Wider aller Hoffnung löste sich ein Schuss aus dem Revolver. Der Rückstoß der aus nächster Nähe auf ihr Ziel abgefeuerten Waffe bog seine ohnehin schon verdreht gehaltene Hand schmerzhaft nach hinten. Mit einem hörbaren Knacken brach sein Handgelenk.
    Und das Wesen…
    Die Metamorphose widersprach allem, woran Evan jemals geglaubt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher