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0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD
Autoren: Simon Borner
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zu stehen, andererseits hatte Florence bei ihrem frühmorgendlichen Anruf so geklungen, als wäre ihr Gatte Opfer einer dämonischen Attacke geworden. Hauptsächlich deswegen war der Professor persönlich erschienen.
    »Remy hat in letzter Zeit einige seltsame Mails erhalten«, sagte Florence. »Ich habe sie nie gelesen, weiß aber, was er mir darüber berichtete. Irgendein Engländer wollte ihn für eine Forschungsmission abwerben und reagierte wohl sehr ungehalten, als Remy wiederholt ablehnte.«
    »Wegen seines Leidens, vermute ich. Nur verstehe ich immer noch nicht…«
    »Die Mails wurden zunehmend bedrohlicher. Dieser Mann bat nicht, erforderte irgendwann einfach Remys Unterstützung. Und dann schickte er ihm… Warte einen Moment.«
    Florence verschwand im Nebenzimmer, und Zamorra hörte, wie sie ein Möbelstück beiseiteschob. »Ich flehte Remy an, sich des Dings zu entledigen«, drang ihre Stimme zu ihm durch, »aber er bestand darauf, es zu behalten und näher zu untersuchen. Also schloss er es in den verborgenen Safe.«
    Ein Klicken erklang, dann erschien sie wieder im Türrahmen, den rechten Arm weit vom Körper weggestreckt. »Und da war es noch immer.«
    In ihrer Hand hielt sie einen gläsernen Gegenstand, kaum größer als eine Kaffeetasse - und in seinem Inneren… glühte es wie in den Lavaseen der Höllendimension. Ein grünlicher, dicker Dunst, unwirklich leuchtend, von dem eine nahezu greifbare Aura der Bedrohung ausging. Zamorra konnte es nicht erklären, doch er empfand sofort Beklemmung, sowie das Objekt in sein Blickfeld geraten war.
    »Was in aller Welt…« Als er einen Schritt darauf zumachte, zuckte Florences Arm zur Seite. Doch nicht sie kontrollierte die Bewegung, sondern das Glas. Wie ein Hund an der Leine, zog und zerrte es ihre Hand in die Richtung, in die es wollte. Die Mittvierzigerin hatte sichtlich Mühe, das Objekt festzuhalten.
    »Es… es ist böse, Zamorra«, sagte sie, und trotz der eher kindlichen Formulierung hörte er die Anspannung in ihrer Stimme. »Dieser Engländer schickte es Kemy, um ihn für seine Sache zu ködern, doch beim Anblick dieses unheimlichen Dunstes…« Sie brach ab und schluchzte. »Kannst du dir vorstellen, wie viele alte Wunden das in meinem Mann aufriss? Erinnerungen an grauenvolle Erlebnisse, die zu vergessen er seit Jahrzehnten verzweifelt bemüht ist?«
    »Und dennoch wollte er es behalten.« Zamorra verstand nur zu gut.
    »Wissenschaftlicher Forschergeist.« Florence schnaubte verächtlich, doch dann brach ihre Stimme. »Und sieh nur, was es ihm gebracht hat.«
    Mit wenigen Schritten war er bei ihr, nahm sie tröstend in die Arme.
    »Ich will, dass du es an dich nimmst«, sagte sie erstickt und vergrub das Gesicht an seiner Schulter. »Ich will es nie wieder sehen. Und dann bring ihn mir wieder, hörst du? Bring ihn mir zurück! Das kannst nur du, nicht die Polizei.«
    Zamorra nahm das gläserne Objekt aus ihrer Hand, hob es hoch, um es genauer zu betrachten - und sofort spürte er seinen Ursprung. Was immer dieses grüne Leuchten auch war, es war zweifelsfrei schwarzmagisch! Sein Bauchgefühl suggerierte ihm sogar, dass es aus der Hölle stammte, doch ohne sein Amulett würde er einige Tests im Château durchführen müssen, bevor er endgültige Gewissheit hatte.
    Eines stand aber bereits fest: Es war in der Tat böse… und Remy Baudoin steckte vermutlich in Dingen, die sogar über seinen Erfahrungsschatz noch weit hinausgingen.
    »Eine letzte Frage, Florence«, sagte Zamorra leise und starrte das glühende Ding fasziniert an. »Kannst du mir diese seltsamen Mails an Remy mal zeigen?«
    ***
    Der Hunger war allgegenwärtig. Fordernd. Ein Hunger, der keine Einwände kannte, keine Argumente akzeptierte.
    Er glitt über das Meer wie ein Vogel im Wind, und wo er schwebte, sperrte er die Sonne aus. Ließ keinen ihrer Strahlen mehr auf die Wasseroberfläche fallen. Verbreitete Dunkelheit.
    Unzählige waren ihm bereits zum Opfer gefallen - manche direkt und allumfänglich, andere nach und nach. Doch sie alle waren Nahrung gewesen, hatten eine willkommene Ablenkung von der Monotonie und der Einsamkeit geboten, wenn auch nur auf Zeit. Manchmal, wenn die Stille zu umfassend, zu dauerhaft schien, waren sie noch immer spürbar - wie ein Echo aus weiter Ferne erinnerten sie dann an vergangene, bessere Tage.
    Es wurde Zeit, dass sie sich wiederholten.
    Es wurde Zeit, dass sich der Hunger nahm, wonach ihm verlangte.
    Kapitel 3 - Donovan: Nacht des
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