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0921 - Die Trennung

0921 - Die Trennung

Titel: 0921 - Die Trennung
Autoren: Christian Schwarz
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Er brauchte sie auch gar nicht.
    Heute Nacht würde er mittels seiner magischen Künste aus der Bastille fliehen, Desmoulins töten und das zurückholen, was ihm gehörte. Alle Vorbereitungen waren bereits getroffen. Und so ließ er den Anwalt ungerührt reden, als dieser behauptete, direkter Zeuge des Mordes gewesen zu sein.
    Das schnelle Urteil, begünstigt durch sein Schweigen, das als Schuldspruch gewertet wurde, lautete auf Tod durch den Strang. Er nahm es zur Kenntnis. Zu Carax’ Schrecken wurde er danach nicht wieder in die Bastille verlegt, sondern in ein kleines Gefängnis auf dem Montmartre. Sein Schrecken verwandelte sich in pure Panik, als er bemerkte, dass seine Zelle, die eher einem Ziegenstall glich, magisch abgesichert worden war! Desmoulins war viel schlauer, als er es ihm zugetraut hätte.
    Am 18. Juli saß Jaques Carax nach zahlreichen Verhören durch Desmoulins nach wie vor in seiner Zelle. Was immer er auch versuchte, auf magischem Weg einen Fluchtweg zu öffnen, es scheiterte am Zauber eines unbekannten Alchimisten, der große Macht besitzen musste. Der offene Widerstand des Volkes war längst ausgebrochen, in den Straßen von Paris floss das blaue Blut in Strömen. Und so hoffte Carax, dass ihn die Wirren der Revolution irgendwann in die Freiheit spülen würden.
    Doch er unterschätzte Desmoulins Hass. Im Gefolge vierer schwer bewaffneter Schergen und zweier Pfaffen mit geweihten Kreuzen tauchte der Anwalt persönlich im Gefängnis auf und verkündete ihm, dass er in den frühen Morgenstunden hingerichtet werde. Diesem Schicksal könne er nur dann entkommen, wenn er doch noch rede.
    Jaques Carax hatte Angst. Zur mitternächtlichen Stunde legte er die rechte Hand gegen die Wand seiner Zelle und schwor mit leiser, zitternder Stimme: »Nun wirst du mich doch noch auf dem Gewissen haben, wenn nicht ein Wunder geschieht, Desmoulins, du Hund. Doch der Abdruck meiner Hand wird hier auf ewig sichtbar bleiben und Unglück über dich und deine Nachfahren bringen. Dafür wird der Teufel sorgen. Und ich werde irgendwann erneut durch die Stadt wandeln und auf dein Grab scheißen, Desmoulins.«
    Die Todesknechte kamen im Morgengrauen. Carax, der in einen unruhigen Schlaf gefallen war, wurde durch das Hämmern harter Stiefel auf dem Steinboden geweckt. Der Riegel wurde zurück geschoben, dann traten sie in die Zelle. Zwei Ratten verschwanden lautlos in einem Loch in der Wand, als das Fackellicht sie aufschreckte.
    Jaques Carax, der Magier, war seltsam gefasst, als sie ihn durch den langen, düsteren Gang führten. Hoch erhobenen Hauptes schritt er zwischen den Henkersknechten. »Ich verfluche euch«, flüsterte er ihnen zu und löste damit die blanke Furcht in ihnen aus. Sie kamen kaum damit nach, sich zu bekreuzigen.
    Der letzte Gang führte Carax und seine Eskorte in einen Hinterhof.
    Düster und drohend erhob sich das Galgengerüst im ersten Tageslicht in den bedeckten Himmel. Die schreckliche Schlinge wiegte sich leicht im Wind. Gerade, als die Männer ins Freie traten, fielen die ersten Tropfen. Dumpf klatschten sie auf die Plattform und bescherten Carax eine Art Lied zum Abschied.
    Der Magier wurde auf die Fallluke gezerrt. Gleich darauf spürte er den Strick aus rauen Fasern um seinen Hals. Der Henker, mit einer roten Kapuze vermummt, zog die Schlinge stramm.
    Carax schaute sich um, suchte Desmoulins unter den wenigen Anwesenden aber vergeblich. »Fahrt zur Hölle!«, schrie er plötzlich laut. »Ihr alle. Und ganz besonders du, Desmoulins. Ich habe meinen inneren Frieden gefunden. Denn der Teufel wird mir helfen, dass ich wiederkommen kann.«
    Die vornehm gekleideten Männer fröstelten. Einer von ihnen hob schnell die Hand. Der Henker legte den Hebel um. Und Jaques Carax sauste durch die Luke.
    ***
    Lyon, Frankreich, Gegenwart
    Professor Zamorra und Nicole Duval saßen in einem Straßencafé in Lyon, direkt an der Saone. Die Sonne brannte heiß vom Himmel, es wimmelte von Menschen in der Stadt. Der Geruch von gebratenem Fisch, vermischt mit dem von Fluss, Kaffee, Sonnenöl, Parfüm und Schweiß hatte sich wie eine Dunstglocke über die Straßen und Plätze gelegt und ließ sich auch von der angenehm frischen Brise nicht vertreiben.
    Zamorra hatte einen Cappuccino und ein Glas Wasser vor sich stehen. Seine Blicke schweiften kurz über den breiten Strom, auf dessen gegenüberliegender Seite sich die Cathedrale St. Jean und darüber, auf einem bewaldeten Berg, die Basilique Notre Dame de Fourviere
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