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0921 - Die Trennung

0921 - Die Trennung

Titel: 0921 - Die Trennung
Autoren: Christian Schwarz
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Ehre, der Allererste zu sein, dessen Kopf in eine neue, bessere Zeit hinein rollt. Die Zeit nämlich, in der alle Menschen gleich sein werden.«
    Der Marquis schrie schrill und quiekend wie ein Schwein, als er aufs Schafott geschleift und dort festgemacht wurde. Verzweifelt versuchte er seinen Kopf aus der engen hölzernen Umklammerung, die um seinen Hals lag, zu ziehen.
    Das herabsausende Fallbeil beendete seine Schreie abrupt.
    ***
    Passy / Paris, 11. bis 19. Juli 1789
    Jaques Carax schaute sich gehetzt um. Würde die Barrikade halten?
    Schläge prasselten in rascher Folge gegen die Tür des kleinen Hauses in Passy und ließen sie in ihren Grundfesten erzittern. Der Lärmpegel aufgehetzter Stimmen schwoll an und diese Stimmen verhießen Carax nichts Gutes.
    Verfluchte Bluthunde. Ihr werdet mich niemals kriegen. Und schon gar nicht das, was ihr bei mir sucht…
    Der niedere Schrank, den er vor die Tür geschoben hatte, hielt noch. Carax warf einen letzten Blick auf die Tür, die sich unter harten Schlägen bereits gefährlich in ihren Angeln wölbte. Dann huschte er ins Nebenzimmer und trat vor den Kreidekreis, den er sorgfältig auf den Boden gezeichnet hatte. Er betrachtete den Inhalt des Kreises und für einen Moment stieg Wehmut in ihm auf. Er schüttelte sie ab und malte mit den Händen magische Zeichen in die Luft.
    Dazu murmelte er die notwendigen Formeln der Macht.
    Über dem Kreis entstand ein orangerotes Flirren. Blitzschnell senkte es sich auf den Kreis herunter und umschloss dessen Inhalt. Als sich das Flirren kurz darauf verflüchtigte, war auch der Inhalt des Kreises verschwunden. Carax hatte ihn in die Zeit geschickt.
    In diesem Moment gaben Tür und Schrank unter den Hieben der Äxte nach. Holz splitterte, es krachte. Fetzen flogen, Männer ergossen sich wie eine Sturmflut in das prunkvoll möblierte Zimmer. Soldaten! Sie gehörten zum Regiment »Royal Allemande«, das der König wegen der immer stärker werdenden Unruhen in Paris stationiert hatte.
    »Carax, du verdammter Zauberer!«, grölte einer der Blau- und Weißuniformierten, die ihm in breiter Front mit gezückten Degen gegenüber standen. »Ergib dich. Dann passiert dir nichts.«
    Wie zum Hohn gingen plötzlich drei der Soldaten auf Carax los, fielen über ihn her und schlugen ihn auf übelste Weise zusammen.
    Als er aus mehreren Kopfwunden blutete, schleiften sie ihn schließlich nach draußen. Dort stand Camille Desmoulins und starrte ihn voller Mitleid an.
    Dieser verdammte Heuchler , dachte Carax erbittert und spuckte nach ihm, traf den Anwalt aber nicht. Dafür erhielt er einen gemeinen Schlag in den Magen, der ihn aufstöhnen ließ.
    Die Soldaten verbrachten Carax in die Bastille, wo er neben vier Urkundenfälschern, zwei Geisteskranken und einem Adeligen namens Marquis de Sade in eine schmutzige, stinkende Zelle geworfen wurde.
    Bereits am nächsten Tag musste Jaques Carax vor einem Gericht erscheinen. Der etwa fünfzigjährige Mann mit den eng beieinander sitzenden Augen, den dichten, schwarzen Augenbrauen und der mächtigen, gebogenen Adlernase sah blass und übernächtigt aus, als er in den Gerichtssaal geführt wurde. Er hatte die halbe Nacht damit zu tun gehabt, den Marquis de Sade abzuwehren, der allerlei unzüchtige Sachen mit ihm hatte treiben wollen.
    Trotz der stärker werdenden Unruhen, die Paris allmählich einem Pulverfass gleichen ließen, war der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz besetzt. Denn Carax besaß einen außerordentlich schlechten Ruf im Dorf Passy und darüber hinaus, sogar bis ins nahe Paris hinein. Man sagte ihm nach, ein Alchimist und Zauberer zu sein, der sich vorwiegend mit den schwarzen Künsten beschäftigte. Und er sollte unglaublich reich sein. Märchenhaft reich, fast wie ein Sultan aus dem Morgenland. Nicht wenige fürchteten ihn und waren froh, dass er endlich verhaftet worden war.
    Die Anklage lautete auf Mord an dem Adeligen Marquis de La Mirage. Lächerlich, denn er kannte diesen Mann nicht, war ihm nicht einmal begegnet. Trotzdem wusste Carax genau, was lief. Diese Anklage verdankte er Desmoulins. Und es lag keineswegs daran, dass er dessen Angebot, den französischen Illuminaten beizutreten und Desmoulins rechte Hand zu werden, abgelehnt hatte. Desmoulins, ein guter Freund des Ordensgründers Adam Weishaupt und Anführer der französischen Illuminaten, war auf etwas ganz anderes aus.
    Zu spät…
    Jaques Carax wusste genau, dass er keine Chance bekommen würde, seine Unschuld zu beweisen.
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