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0909 - Drachentod

0909 - Drachentod

Titel: 0909 - Drachentod
Autoren: Andreas Balzer
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Zamorra. Der Parapsychologe näherte sich vorsichtig der Kriegerin.
    »Bleib zurück, Zamorra. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir!«
    »Denk an deinen Schwur. Willst du wieder so sein wie früher? Eine Mörderin?«
    Chin-Lis Kopf fuhr herum. Ihr Blick schien sich in die Augen des Dämonenjägers zu bohren. »Er hat meine Eltern getötet, Zamorra. Und Meister Shiu. Er hat mir alles genommen, was ich hatte. Er hat nicht das Recht zu leben.«
    »Aber du hast es«, sagte Nicole. »Wirf dein Leben nicht weg für dieses Monster. Das ist er nicht wert.«
    »Tut mir leid, Nicole.« Chin-Li wandte sich wieder Lam zu. Der Mann, der so viel Leid in ihr Leben gebracht hatte, weinte. Zamorra sah, wie die Kriegerin mit sich rang. Dann schrie sie gequält auf, riss die Waffe in Richtung Wand und feuerte das Magazin leer.
    Sanft legte Nicole der jungen Chinesin die Hand auf die Schulter.
    »Deine Eltern hätten es so gewollt.«
    »Sprich nicht von meinen Eltern. Bitte, nicht jetzt.«
    ***
    Die Rückeroberung der Stadt lief auf Hochtouren. Die Macht der Neun Drachen beruhte auf Glauben und Tradition, die von Lam auf Bestechung, Erpressung und Charisma. Sobald der Anführer ausgeschaltet war, brach die Revolte wie ein Kartenhaus in sich zusammen und Lams Männer suchten ihr Heil in der Flucht. Nur wenige schafften es aus der Stadt, die meisten fielen den wütenden Anhängern der alten Ordnung in die Hände.
    Zamorra und Nicole wollten nur noch weg. Sie hatten sich aus persönlicher Verbundenheit zu Chin-Li und Meister Shiu am Kampf gegen Lam beteiligt.
    Doch darüber hinaus wollten sie mit den Machtkämpfen innerhalb des organisierten Verbrechens nichts zu tun haben.
    Jenkins hatte sich bereits mit den Worten »Ich werd mir jetzt erst mal einen brennen, so was hat die Welt noch nicht erlebt« verabschiedet. Die beiden Dämonenjäger und Chin-Li befanden sich mit den verbliebenen acht Führern des Ordens im Heiligtum der Bruderschaft. Die Spuren der Verwüstung waren bereits weitgehend beseitigt worden. Selbst der zerstörte Wandbehang mit dem Drachenmotiv war ausgetauscht worden.
    »Die Neun Drachen sind euch zu großem Dank verpflichtet«, sagte Bruder Hong. Bis ein Nachfolger für Meister Shiu bestimmt worden war, sprach der Mönch mit dem Aussehen eines uralten Bernhardiners für die Bruderschaft.
    »Ich hoffe, ihr denkt daran, wenn ihr euch Lams Anhänger vornehmt. Wir wollen nicht die Verantwortung für ein Massaker tragen.«
    Zamorra erinnerte sich daran, dass er vor vielen Jahren schon einmal ein sehr ähnliches Gespräch mit Meister Shiu geführt hatte. Offenbar hatte sich seitdem einiges getan. Bruder Hong zögerte nur kurz, dann lächelte er. »Unsere Feinde würden es nicht verstehen, wenn wir zu nachsichtig mit ihnen umgingen. Aber es wird kein Massaker geben, das ist versprochen.«
    »Was ist mit Lam? Chin-Li hat ihn verschont.«
    »Und wir werden uns danach richten. Aber da gibt es nicht mehr viel zu verschonen, Zamorra. Lam Chi-Wei hat seinen Absturz nicht verkraftet. Er lebt jetzt ganz in seiner eigenen Welt.«
    Zamorra nickte. Er hatte gesehen, in welchem erbarmungswürdigen Zustand sich der ehemalige Anführer der Rebellion befand. Lam Chi-Wei starrte nur noch blicklos ins Leere und schien nichts mehr um sich herum wahrzunehmen.
    Als sie die düsteren Klostermauern hinter sich gelassen hatten, atmete Nicole tief durch. »Lass uns möglichst schnell von hier abhauen, Chef. Dahin, wo es keine Triaden und keine durchgeknallten Zauberer gibt - abgesehen von dir natürlich.«
    Sie gingen zu Fuß zur nächsten U-Bahn-Station, wo sich Chin-Li von ihnen verabschiedete.
    »Möchtest du nicht mit uns kommen?«, fragte Zamorra. »Du könntest ein bisschen Aufmunterung gebrauchen.«
    Die junge Chinesin schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich muss jetzt eine Weile für mich sein.«
    »Deine Eltern, sie…«
    »Sie sind tot, Zamorra. Sie sind tot, und ich muss das akzeptieren. Dabei kann mir niemand helfen.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Kriegerin um und verschwand in der Menge.
    Epilog
    Es war dunkel und kalt. Der alte Mann wusste nicht, wie lange sie sich schon an diesem grauenhaften Ort befanden, er hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Sie lagen auf dem kahlen Boden einer winzigen, fensterlosen Zelle. Ein wenig Licht kam nur durch einen schmalen Spalt in der massiven Holztür, durch den ihre anonymen Peiniger in unregelmäßigen Abständen karge Mahlzeiten schoben, die gerade ausreichten, um sie am
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