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0909 - Drachentod

0909 - Drachentod

Titel: 0909 - Drachentod
Autoren: Andreas Balzer
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sich in seinen Mauern ein Gewitter gewaltigen Ausmaßes entladen. Schwarze Brandflecken verunzierten die kahlen Wände, an vielen Stellen klafften tiefe Löcher. Der prächtige Wandbehang mit dem stilisierten Drachenmotiv bestand nur noch aus verkohlten Fetzen. Die meisten Kerzenständer waren durch den Raum gewirbelt worden. Bei einigen war das Metall durch die unermesslichen Energien, die hier getobt hatten, geschmolzen und in neuen, obszön wirkenden Formen erstarrt.
    Inmitten dieses Chaos lag ein schmächtiger Mann in einer safrangelben Robe. Chin-Li sah sofort, dass sie zu spät gekommen war. Meister Shiu starrte sie aus leeren, gebrochenen Augen an. Zitternd sackte die Kriegerin auf die Knie. Sie wusste, dass es vergeblich war, dennoch fühlte sie nach dem Puls, suchte verzweifelt nach der letzten Spur von Leben. Sie fand nichts.
    Der Mann, der sie zu dem gemacht hatte, was sie war, den sie dafür für viele Jahre gehasst und doch zugleich immer tief verehrt hatte, war tot. Ausgelöscht von einer Kreatur, die selbst die Macht der Neun Drachen nicht hatte aufhalten können.
    Lam!
    Chin-Li wollte aufspringen und ihren Hass in die Nacht hinausschreien, doch sie konnte nicht. Kein Wort kam über ihre Lippen. Kraftlos brach sie über dem schmächtigen Körper des alten Magiers zusammen und begann hemmungslos zu weinen.
    ***
    Der Flug verlief ohne Zwischenfälle. Die geheime Landebahn, von der Yang gesprochen hatte, entpuppte sich als verlassene Landstraße, die erst auf den zweiten Blick ausgebaut genug war, um kleine bis mittelgroße Maschinen starten und landen zu lassen. Der Fahrer, ein mürrischer Glatzkopf undefinierbaren Alters, erwartete sie schon. Wortlos ließ er sie im Fond seiner BMW-Limousine Platz nehmen. Er hatte kaum den Motor gestartet, als die Jetstream hinter ihnen schon wieder in den Nachthimmel schoss.
    Die New Territories lagen im Norden von Kowloon und grenzten am Shenzhen-Fluss an die Volksrepublik China. Das zumindest im Vergleich zum Rest der ehemaligen Kronkolonie dünn besiedelte Gebiet war erst 1898 von Großbritannien gepachtet worden und galt auch über zehn Jahre nach der Rückgabe Hongkongs an China immer noch als »neu«. Hier gab es große Parklandschaften und sogar noch ein paar landwirtschaftlich genutzte Flächen.
    Schweigend steuerte der Chauffeur die Limousine an Feldern und hässlichen Neubausiedlungen vorbei Richtung Kowloon. »Wohin?«, fragte er, als die beeindruckende Kulisse der Großstadt vor ihnen auftauchte. Es war das erste Mal, dass er überhaupt etwas sagte.
    »Mong Kok«, erwiderte Nicole ebenso knapp. Die Franzosen kannten die Lage des Klosters von ihrer ersten Auseinandersetzung mit der Bruderschaft. Obwohl seitdem einige Jahre vergangen waren, fanden sie den Ort problemlos wieder. Sie ließen sich ein paar Blocks entfernt absetzen und legten den Rest der Strecke zurFuß zurück.
    Die Straßen waren totenstill, doch die Dämonenjäger wussten, dass sie sich nicht in Sicherheit wiegen durften. Die Neun Drachen verfügten über ein höchst effektives Überwachungssystem. Es war unwahrscheinlich, dass sich jemand ihrem Hauptquartier nähern konnte, ohne dass sie etwas davon mitbekamen.
    Sorgfältig erkundeten Zamorra und Nicole die nähere Umgebung und fanden schließlich Rupert Jenkins. Der Brite war mit Handschellen an das Lenkrad seines Plymouths gefesselt und schlief scheinbar den Schlaf der Gerechten.
    »So ist er mir eigentlich am liebsten«, sagte Zamorra grinsend. »Denkst du dasselbe wie ich?«
    Nicole nickte. »Da plant jemand dasselbe wie wir. Und ich wette, dieser Jemand ist…«
    »Chin-Li«, beendete Zamorra den Satz. »Wer sonst wäre wohl das Risiko eingegangen, unseren lieben Rupert am Leben zu lassen, wenn er bei den Neun Drachen einsteigen will? Wecken wir ihn auf?«
    Nicole verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Muss das sein?«
    »Ich fürchte ja. Wir sollten wissen, was uns im Kloster erwartet.«
    »Also gut«, seufzte Nicole. »Aber auf deine Verantwortung. Wenn er mich nervt, schicke ich ihn gleich wieder zurück ins Reich der Träume.«
    Zamorra grinste. Seine Gefährtin hatte dem schrulligen Ex-Agenten offenbar immer noch nicht verziehen, dass er bei ihrer ersten Begegnung ein falsches Spiel gespielt hatte. In solchen Dingen war sie sehr nachtragend. [1]
    Die Autotür war offen. Zamorra wollte sich zu Jenkins herunterbeugen, doch Nicole hielt ihn zurück. »Nein, Chef. Bitte lass mich!«
    Die Dämonenjägerin hob den
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