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0903 - Der Schattenkelch

0903 - Der Schattenkelch

Titel: 0903 - Der Schattenkelch
Autoren: Oliver Fröhlich
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flüsterte er Dòmhnall zu.
    »Ja!«
    Zamorra sah auf die Uhr und trommelte mit den Fingern gegen die Wand der Holzhütte, hinter der sie sich versteckten. Vor gut dreißig Minuten war die Sonne untergegangen und noch immer hatte sich keiner der Schattenhund-Wirte sehen lassen.
    Nachdem Zamorra am Morgen Pierre Robin verlassen hatte, war er mit der Metro zum Stadtpark gefahren und von dort mittels der Regenbogenblumen ins Château Montagne zurückgekehrt.
    Er holte seine Morgendusche nach und schüttete noch eine Tasse Kaffee in sich hinein. Dieses Mal allerdings nicht dieses Pulvergesöff, sondern so wie er ihn liebte: frisch aufgebrüht und so schön stark, dass er ihn auch hätte umstülpen und als Pudding löffeln können.
    Dann heftete er sich einen E-Blaster an den Gürtel, bewaffnete sich zusätzlich mit drei Flaschen Wasser und fuhr mit dem BMW wieder nach Lyon. Die Regenbogenblumen wären zwar schneller gewesen, aber erstens wollte er mobil sein und zweitens hielt er es für keine gute Idee, mit einer Strahlenwaffe wie aus einem Science-Fiction-Film in eine Metro einzusteigen.
    Auf der Fahrt hielt er noch einmal an und besorgte für sich und Dòmhnall ein paar Croissants.
    Gerade noch in Sichtweite der Einfahrt zur Villa parkte er den Wagen und ließ den Clochard zusteigen. Als er dabei dessen abgerissenen Parka und die verbrannte Hand sah, dachte er an den Sitzbezug und verzog das Gesicht. Andrerseits war der Fahrersitz nach dem Kampf gegen den Schattenhund ohnehin schon versaut. Käme jetzt noch der Beifahrersitz dazu, würde sich eine porentiefe Reinigung wenigstens lohnen.
    Sie warteten bis in den frühen Nachmittag im BMW. Zamorra verzehrte die Croissants alleine, da Dòmhnall ihm mitteilte, Alain Albeaus Körper habe kein Bedürfnis mehr zu essen. Außerdem könne er sowieso nichts mehr schmecken. Dabei wirkte er bedrückt und geistesabwesend.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Zamorra.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Dòmhnall antwortete: »Ich bin eine Seele, die im gefühllosen, langsam zerfallenden Körper eines Toten versucht, die Rückkehr eines Dämons zu verhindern. Was soll nicht stimmen?«
    »Tut mir leid«, sagte Zamorra. »War eine blöde Frage.«
    Wieder vergingen einige Augenblicke. »Nein, mir tut es leid. Ich habe kein Recht, dich… anzuschnauzen. Ich muss dir dankbar für deine Hilfe sein. Es ist nur so, dass mir Albeaus Körper nach und nach entgleitet und ich nichts dagegen tun kann. Deshalb macht es mich wahnsinnig, hier zu sitzen und zu warten.«
    Nachdem die Truppen der Polizei endlich abgerückt waren und auch der letzte Gaffer nach Hause gegangen war, verlegten Zamorra und Dòmhnall ihren Beobachtungsposten auf das Gelände um die Villa. Das schmiedeeiserne Tor war zwar geschlossen, aber das war für Dòmhnalls Ich-lasse-das-Schloss-blau-leuchten-und-dann-geht-es-auf -Trick kein Hindernis. Sie bezogen Stellung hinter einer Holzhütte, in der vermutlich Gartengerät aufbewahrt wurde. Von hier aus hatten sie einen guten Blick auf den Eingang der Villa, konnten aber auch durch ein Fenster ins Arbeitszimmer sehen.
    Sie warteten und warteten.
    Die Zeit vertrieben sie sich mit Geschichten, die jedoch dreimal von Dòmhnalls eigenartigen »Abschaltungen« unterbrochen wurden. Wie schon heute Morgen im Park ging Zamorra darüber hinweg, nahm sich nach dem letzten Mal aber vor, den Clochard darauf anzusprechen, wenn es noch einmal vorkommen sollte.
    Dòmhnall erzählte von seiner Zeit als Weißmagier, von seinen Studien, von den Zaubern, die er beherrschte. Zwischendurch kam er immer wieder auf seine Frau zu sprechen. Er musste sie fürchterlich vermissen und selbst nach so langer Zeit noch abgöttisch lieben.
    Zamorra konnte ihn verstehen. Er mochte sich gar nicht ausdenken, wie es ihm ginge, wenn Nicole nicht mehr wäre!
    Im Gegenzug berichtete Zamorra von seinem Kampf gegen das Böse, von Merlin, von dessen Tod und von der Macht des Amuletts, das Merlin einst aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte.
    »Hätte ich damals dieses Amulett gehabt, wäre Agamar heute nur noch eine längst vergessene Legende«, seufzte Dòmhnall. »Und meine geliebte Frau wäre schon lange gerächt. Stattdessen besteht die Gefahr, dass er zurückkehrt!«
    »Wenn wir hier fertig sind, wird diese Gefahr gebannt sein«, versicherte Zamorra.
    Ihr Plan war von geradezu erschütternder Schlichtheit. Sie wollten abwarten, bis die vier Wirte hier auftauchten und das Ritual zur Portalöffnung
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