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0903 - Der Schattenkelch

0903 - Der Schattenkelch

Titel: 0903 - Der Schattenkelch
Autoren: Oliver Fröhlich
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aus, um das Portal zu öffnen.
    Zamorra atmete tief durch. Dann traf er eine Entscheidung.
    »Wir gehen rein. Vielleicht bemerken sie uns nicht, dann können wir mit unserem Eingreifen bis zum letzten Moment warten. Womöglich taucht der vierte Wirt bis dahin ja auf. Also los!«
    Sie schlichen zum Eingang.
    Zamorra griff nach dem Knauf und drückte, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Aber Zamorra hatte eine Art Schlüssel dabei.
    Er sah Dòmhnall an und zeigte auf das Schloss unter dem Knauf.
    Der Clochard nickte und legte die unverbrannte Hand auf das Schloss. Dann murmelte er einige unverständliche Worte und klopfte sich mit dem verkohlten Zeigefinger sieben Mal aufs Handgelenk.
    Nichts geschah. Kein blaues Leuchten, kein Klicken, keine aufschwingende Tür.
    Er sah den Meister des Übersinnlichen an und schüttelte den Kopf.
    »Du schaffst das!«, flüsterte Zamorra. »Versuch es noch einmal!«
    »Ich kannen… kann den Spuch… den Spruch nich mehr fehlerfei sagn«, lallte Dòmhnall mit schwerer Zunge.
    »Doch! Du kannst das. Konzentrier dich und tu es.«
    Dòmhnall wiederholte den Zauber. Er murmelte den Spruch wieder und wieder vor sich hin und jedes Mal klang er ein bisschen anders.
    Da endlich begann das Schloss bläulich zu schimmern. Es gab ein Klack von sich, das Zamorra so laut vorkam, dass man es in der ganzen Villa hätte hören müssen. Dann sprang die Tür einen Spaltbreit auf.
    »Gut gemacht«, hauchte er und lächelte dem Clochard zu.
    Dessen Miene zeigte keinerlei Regung. Dank der gebrochenen Nase und der geplatzten Lippe hatte das Gesicht von Anfang an schief gewirkt, aber nun sah es schief und schlaff aus.
    Zamorra hielt den Knauf fest und schob den Kopf durch den Türspalt.
    In der Eingangshalle brannte immer noch Licht, aber es war niemand zu sehen.
    Dafür hörte er leise Stimmen und schleppende Geräusche.
    Er nickte dem Clochard zu. »Los!«
    Kaum hatten sie die Villa betreten, drückte Zamorra die Tür vorsichtig wieder ins Schloss. Sie huschten zu einer klobigen Skulptur, von der Zamorra nicht einmal im Ansatz erkennen konnte, was sie darstellen sollte, und gingen dahinter in Deckung.
    Wo waren die Wirte?
    Zamorra sah hinüber zum Arbeitszimmer. Die demolierte Tür, die der Chauffeur und der Gärtner aufgebrochen hatten, war verschwunden. Zur Reparatur, wie Zamorra vermutete. Stattdessen gähnte ihm ein Loch entgegen, das ihm einen ungehinderten Blick auf wenigstens einen Teil des Arbeitszimmers gewährte.
    Doch dieser Ausschnitt reichte, um zu erkennen, was darin vorging: Die drei Schattenhundwirte rückten Möbel! Sie schafften in der Mitte des Raumes Platz für das Ritual.
    Als sie fertig waren, setzten sie sich im Schneidersitz so auf den Teppich, dass sie einen Kreis bildeten.
    Der Mann von der Spurensicherung, Paul Bassot, zog die Tasche zu sich heran, zerrte den Reißverschluss auf und schälte den Kelch daraus hervor.
    »Sie fangen bestimmt gleich an«, hauchte Zamorra. »Wo bleibt nur der vierte Wirt?«
    Er sah zu Dòmhnall, doch der wirkte, als würde er mit offenen Augen schlafen.
    Zamorra tätschelte ihm die Wangen. Eine reichlich dämliche Geste, wie ihm im nächsten Moment einfiel, denn Dòmhnall spürte ohnehin nichts. Dennoch konnte er den Clochard damit wecken.
    »Was?«, fragte er aufgeschreckt.
    »Wo bleibt der vierte Wirt?«, wiederholte Zamorra. »Bist du dir sicher, dass es überhaupt einen vierten gibt?«
    »Es wa'n acht Schattenhunne, die Agamar in den Kelch geschossen… geschlossen hat. Ein' hast du vernicht', d'ei ich. Also…«
    »Schon gut, war nur eine Frage. Hör auf zu sprechen und spar dir deine Kräfte.«
    Bassot hatte den Kelch inzwischen in der Mitte ihres Kreises aufgestellt. Die drei Schattenhundträger glotzten mit starrem Blick auf das Gefäß und schienen nichts von ihrer Umgebung wahrzunehmen.
    »Sie werden jeden Moment anfangen«, flüsterte Zamorra. »Wenn der vierte Wirt nicht bald auftaucht, müssen wir eingreifen.«
    Dòmhnall gab erneut keine Antwort.
    Dafür wurde die Haustür von außen geöffnet. Ein Hauch frischer Luft wehte herein, als Chefinspektor Pierre Robin eintrat und die Schlichtheit von Zamorras Plan verpuffen ließ.
    ***
    Zamorra wurde es heiß.
    Nein! Tu mir das nicht an!
    Robin steckte das Pick-Set, mit dem er sich Einlass verschafft hatte, in die Innentasche seiner Jacke und ging ohne zu zögern in Richtung Arbeitszimmer.
    Zamorra spürte ein widerliches Ziehen im Herzen und im Magen, als er den E-Blaster von der
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