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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht
Autoren: Elizabeth George
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gespielt hatte und was Ian Armstrong mit dem Fall zu tun gehabt hatte. Sie erklärte ihm, was ihr erster Verdacht gewesen war und wohin dieser Verdacht sie geführt hatte, und wie sie schließlich im Wohnzimmer der Familie Malik gelandet waren, um jemanden zu verhaften, den sie nicht einen Moment lang des Verbrechens verdächtigt hatten.
    »Yumn?« wiederholte Azhar erstaunt. »Aber Barbara, wie ist das möglich?«
    Barbara erklärte es ihm. Yumn hatte Haytham Querashi ohne das Wissen der Familie Malik aufgesucht. Sie war im chador gekommen - entweder weil es die Sitte gebot, oder weil sie sich verstecken wollte -, und es war ihr gelungen, sich fortzustehlen, ohne daß im Hause Malik jemand etwas gemerkt hatte. Man brauchte sich nur anzusehen, wie das Haus gebaut war, besonders wie Auffahrt und Garage zum Wohnzimmer und zu den oberen Schlafzimmern lagen, um zu erkennen, daß sie ganz leicht eins der Autos hatte nehmen können, ohne bemerkt zu werden. Und wenn sie dies getan hatte, als die Kinder schon im Bett gewesen waren, Sahlah an ihrem Schmuck gearbeitet hatte und Akram und Wardah beim Gebet oder im Wohnzimmer gewesen waren, wäre nie jemand dahintergekommen. Und ebenso leicht war es für sie gewesen, Haytham Querashi lang genug zu beobachten, um zu bemerken, daß er regelmäßig zum Nez ging, und an dem fraglichen Abend mit einem Zodiac dort hinauszufahren, den Draht an der bröckelnden alten Treppe zu spannen und ihn so in den Tod zu schicken.
    »Wir wußten immer und haben es auch immer gesagt, daß eine Frau es getan haben könnte«, bemerkte Barbara. »Wir haben nur nicht gesehen, daß Yumn ein Motiv und die Gelegenheit hatte, die Tat zu begehen.«
    »Aber wieso mußte sie Haytham Querashi denn töten?« fragte Azhar.
    Und auch das erklärte Barbara. Doch als sie ihm auseinandergesetzt hatte, daß Yumn Querashi aus dem Weg räumen mußte, um Sahlah weiterhin in ihrer untergeordneten Stellung im Haus zu halten, zeigte Azhar Zweifel. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm einen Zug und betrachtete den Filter einen Moment nachdenklich.
    »Beruht darauf Ihre Beweisführung?« fragte er vorsichtig.
    »Und auf den Aussagen der Familie. Sie war nicht im Haus, Azhar. Sie behauptete, mit Muhannad oben in ihrem Zimmer gewesen zu sein. Aber Muhannad war, wie inzwischen bestätigt wurde, an diesem Abend in Colchester.«
    »Für einen guten Verteidiger wird es aber sicher kein Problem sein, die Aussagen der Familie als unglaubwürdig hinzustellen. Er kann sagen, daß die fraglichen Daten verwechselt wurden; er kann Feindseligkeit gegen eine schwierige Schwiegertochter ins Feld führen und den Wunsch einer Familie, den wahren Mörder zu schützen, einen Mann, der praktischerweise auf den Kontinent entkommen ist. Selbst wenn Muhannad nach England gebracht und hier wegen Menschenhandels vor Gericht gestellt werden würde, würde das Strafmaß geringer ausfallen als bei vorsätzlichem Mord. So jedenfalls könnte die Verteidigung argumentieren, um den Nachweis zu erbringen, daß die Maliks Grund hatten, die Schuld einer anderen Person zuzuschieben.«
    »Aber sie haben ihren Sohn doch verstoßen.«
    »Richtig«, stimmte Azhar zu. »Aber glauben Sie, einer von den englischen Geschworenen wird verstehen, was es für einen Pakistani bedeutet, von seiner Familie verstoßen zu werden?«
    Er sah sie freimütig an. Die Aufforderung war unüberhörbar. Jetzt könnten sie über seine eigene Geschichte sprechen: wie sie begonnen und wie sie geendet hatte. Jetzt könnte sie ihn nach der Ehefrau und den beiden Kindern fragen, die er verlassen hatte. Sie könnte erfahren, wie er Hadiyyahs Mutter kennengelernt und was ihn bewogen hatte, den lebenslangen Ausschluß aus seiner Familie um einer verbotenen Liebe willen hinzunehmen.
    Sie erinnerte sich, irgendwo einmal die kurze Entschuldigung gelesen zu haben, die ein Filmregisseur gebraucht hatte, um zu erklären, warum er seine lebenslange Liebe wegen einer Frau verraten hatte, die dreißig Jahre jünger war als er. »Das Herz will, was es will«, hatte er gesagt. Aber Barbara fragte sich schon lange, ob das, was das Herz wollte, in Wirklichkeit überhaupt etwas mit dem Herzen zu tun hatte.
    Aber wäre Azhar nicht seinem Herzen gefolgt - wenn dies tatsächlich der betroffene Körperteil gewesen war -, so hätte es Khalidah Hadiyyah nicht gegeben. Und das hätte die Tragik, sich zu verlieben und der Liebe den Rücken zu kehren, noch erhöht. Also war Azhars Entscheidung, statt der Pflicht
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