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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht
Autoren: Elizabeth George
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haben ihn aus seiner Familie herausgetrieben. Und aus welchem Grund? Weil Sie neidisch sind. Sie sind ganz zerfressen von Neid. Sie haben keine Männer und können es nicht ertragen, daß andere Frauen einen haben. Und nicht irgendeinen Mann, sondern einen echten Mann, einen Mann -«
    »Setzen Sie sich«, sagte Barbara.
    Yumn schluckte. Sie sah ihre Schwiegereltern an und wartete darauf, daß diese Beleidigung geahndet würde. Eine Außenseiterin habe ihr nichts zu befehlen, sagte ihre Miene. Aber keiner sprang für sie in die Bresche.
    Voll gekränkter Würde ging sie zu einem Sessel. Falls sie erkannte, was das Fotoalbum und die Schere auf dem Tisch zu bedeuten hatten, ließ sie es sich nicht anmerken. Barbara warf einen Blick auf Akram, als sie erkannte, daß er die Bilder vom Boden aufgehoben und in den Kamin geworfen hatte, um es seiner Schwiegertochter zu ersparen, eins der ersten Rituale zu bezeugen, die die Verstoßung ihres Mannes begleiteten.
    Sahlah kehrte zum Sofa zurück. Akram nahm ebenfalls in einem Sessel Platz. Barbara blieb am Kamin, und Emily trat zu einem der geschlossenen Fenster. Sie sah aus, als würde sie es am liebsten unverzüglich aufreißen. Die Luft im Zimmer war schal und stickig.
    Barbara wußte, daß von diesem Moment ein Würfelspiel aus der Untersuchung wurde. Sie holte einmal tief Atem und schüttelte den Becher. »Mr. Malik«, sagte sie, »können Sie oder Ihre Frau uns sagen, wo Ihr Sohn am Freitag abend war?«
    Akram runzelte die Stirn. »Ich sehe keinen Sinn in dieser Frage, es sei denn, Sie sind hergekommen, um uns zu quälen.«
    Die Frauen saßen reglos, ihre Aufmerksamkeit auf Akram gerichtet. Dann beugte sich Sahlah vor und ergriff die Schere.
    »Gut«, sagte Barbara. »Aber wenn Sie Ihren Sohn für unschuldig gehalten haben, bis er heute nachmittag die Flucht ergriff, müssen Sie doch einen Grund für diese Überzeugung gehabt haben. Und dieser Grund kann nur sein, daß Sie wußten, wo er am Freitag abend war. Habe ich recht?«
    Yumn sagte: »Mein Muni war -«
    »Ich würde es gern von seinem Vater hören«, schnitt Barbara ihr das Wort ab.
    Akram sagte langsam, immer noch nachdenkend: »Er war nicht zu Hause. Daran erinnere ich mich, weil -«
    »Abhy«, rief Yumn, »du mußt vergessen haben, daß -«
    »Lassen Sie ihn antworten«, herrschte Emily sie an.
    »Ich kann antworten«, sagte Wardah Malik. »Muhannad war in Colchester. Er trifft sich dort regelmäßig einmal im Monat mit einem Studienfreund zum Essen. Der Freund heißt Rakin Khan.«
    »Nein, Sus!« Yumns Stimme war schrill. Sie wedelte mit den Händen. »Muni war am Freitag nicht in Colchester. Er war am Donnerstag dort. Du verwechselst die Tage wegen der Sache mit Haytham.«
    Wardah wirkte perplex. Dann sah sie ihren Mann an, als warte sie auf ein Wort von ihm. Sahlahs Blick wanderte langsam zwischen ihren Eltern hin und her.
    »Du hast es nur vergessen«, fuhr Yumn fort. »Das ist ja auch ganz verständlich nach allem, was geschehen ist. Aber du mußt dich doch erinnern -«
    »Nein«, widersprach Wardah. »Ich erinnere mich genau, Yumn. Er ist nach Colchester gefahren. Er hat von der Firma aus angerufen, weil er sich wegen Anas' Alpträumen Sorgen machte, und hat mich gebeten, den Jungen etwas anderes zum Abendessen zu machen. Er meinte, das Essen wäre vielleicht zu schwer.«
    »Sicher, ja«, stimmte Yumn zu, »aber das war am Donnerstag, weil Anas in der Nacht zuvor so einen schlimmen Traum gehabt hatte, von Mittwoch auf Donnerstag.«
    »Es war Freitag«, sagte Wardah. »Weil ich die Einkäufe fürs Wochenende gemacht hatte, wie ich das freitags immer tue. Das weißt du doch selbst. Du hast mir geholfen, alles einzuräumen, und bist auch ans Telefon gegangen, als Muni anrief.«
    »Nein, nein, nein.« Sie bewegte heftig den Kopf, als ihr Blick von einem zum anderen flog. »Er war nicht in Colchester. Er war bei mir. Hier im Haus. Wir waren oben, darum hast du es vergessen. Wir waren in unserem Schlafzimmer, Muni und ich. Abhy, du hast uns doch gesehen. Du hast mit uns beiden gesprochen.«
    Akram sagte nichts. Sein Gesicht war tiefernst.
    »Sahlah! Bahin, du weißt, daß wir hier waren. Ich habe Muni gebeten, dich zu holen. Und das hat er getan. Er ist in dein Zimmer gegangen und hat dir gesagt, daß du -«
    »Nein, Yumn. Das stimmt nicht.« Sahlah sprach so vorsichtig, als setzte sie jedes Wort auf dünnes Eis, das sie auf keinen Fall zerbrechen wollte. Sie schien genau zu wissen, was ihre Worte bedeuteten, als
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