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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand
Autoren: Adrian Doyle
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verschwämmen sie, wie die Spiegelung auf der Oberfläche eines Teichs, in den jemand Steine warf.
    Aber so war es nicht. Vielmehr bewahrheitete sich die »Täuschung«, der Meredith bei ihrer ersten Begegnung mit dem Schmied zum Opfer gefallen zu sein meinte. Sein Leib hing tatsächlich voller Ratten, die von seinem Blut zu saufen und von seinem Fleisch zu fressen schienen. Was ihm jedoch nicht wehzutun, sondern pure Lust zu bereiten schien.
    Denn er schrie nicht. Er lachte nur.
    Das Schreien besorgte Meredith für ihn.
    ***
    Sie fuhr herum. Setzte ihre Schritte nicht länger vorsichtig, um nur ja auf keine Ratte zu treten, um nicht den Zorn dieser scheußlichen Viecher zu wecken und auf sich zu ziehen.
    (Was für ein selten blöder Gedanke…)
    Meredith rannte, zurück zum anderen Ende der kurzen Gasse zwischen zwei Bauten.
    Trotzdem landeten ihre Füße auf keiner Ratte, wie durch ein Wunder.
    Dass es kein Wunder war, keines im landläufigen Sinne jedenfalls, erkannte Meredith, als sie aus dem Dunkel des Durchlasses trat.
    Auch hier wimmelte es jetzt von Ratten, sie krabbelten und kreiselten überall…
    … nein, auch hier nicht überall , musste Meredith sich korrigieren.
    Die Tiere ließen eine schmale Schneise frei, wie um ihr den Weg zu weisen. Den einzigen gangbaren Weg. Jeder Schritt von diesem Pfad weg hätte dazu geführt, dass sie auf Ratten trat.
    Und dann?
    Wieder eine Frage, der Meredith gar nicht nachgehen wollte. Denn ganz gleich, wie die Antwort ausgefallen wäre, sie hätte doch keine andere Wahl gehabt, als den Weg, den die Ratten ihr offen ließen, nicht nur zu gehen, sondern entlangzurennen.
    Weil hinter ihr der Schmied näher kam.
    Immer noch lachend setzte er Schritt um Schritt, während Ratten von ihm abfielen und neue ihren Platz einnahmen, an seinen Beinen hochkletterten und sich irgendwo mit Krallen und Zähnen festhakten, grässliche Parasiten, die sich von ihrem nicht minder grässlichen Wirt zu nähren schienen.
    Ein dumpfer Schlag wie Donnerhall, das Knirschen von Stein, als hätte der Blitz eingeschlagen. Der Schmied hatte den gewaltigen Hammer gegen eine Wand des Durchgangs gedroschen.
    Das Knirschen schien sich in Meredith' Ohren zu wandeln, zu dem von brechenden Knochen, ihres eigenen Schädelknochens, sollte der vom Schmiedehammer getroffen werden.
    Und wieder rannte sie, in die einzige Richtung, die ihr die Ratten ließen, durch die Nacht, über den Hof.
    An ein bestimmtes Ziel? Warum sonst sollten die Tiere diesen Pfad geschaffen haben. Sie mussten Meredith irgendwohin lotsen wollen…
    … welch ein Wahnwitz!, schrie es in ihr, aber sie hörte nicht hin. Jetzt musste sie nur handeln, nur laufen, ihren Körper einfach funktionieren lassen, ohne sich von irgendwelchen Gedanken an irgendwelche Unmöglichkeiten beirren und ablenken zu lassen.
    Und irgendetwas in ihr half ihr dabei. Irgendetwas, das keine Angst hatte; wohl Angst kannte, aber in dieser Situation keine hatte - weil sie schon ganz andere überstanden hatte.
    Was…?
    (Lauf!)
    Hinter ihr, ein Pfeifen, ein scharfer Luftzug, der wie eine Klinge über ihren Nacken zu rasieren schien.
    Der Schmied! Der Hammer!
    (Schneller!)
    Der Weg durch die Rattenleiber führte zum Pferdestall, genau auf den tiefschwarzen Spalt zu, der zwischen den Torhälften klaffte.
    Ohne nachzudenken, mit schwindelerregend leerem Kopf, hetzte Meredith darauf zu.
    Und blieb stehen, als hätte sich das Tor auf einmal vor ihr geschlossen.
    Dabei wirkte es doch »nur«, wie mit einem Pinsel aus Silberfarbe in die Nacht gemalt. So wie der Rest des Stalls, der Boden vor ihr… und die übrige Welt.
    ***
    Alles lag plötzlich wie im Silberlicht eines unvermittelt aufgegangenen Mondes, dessen Leuchtkraft jedoch beinahe an die einer Sonne heranreichte.
    Nur war es keine Sonne, die die Nacht - nein, nicht zum Tag machte, sondern zu etwas ganz anderem, etwas, das zwischen Tag und Nacht lag und doch anders war als bloße Dämmerung.
    Eine Art von Tag oder Nacht, die es auf dieser Welt, in dieser Wirklichkeit so nicht gab.
    Irgendetwas in Meredith fand diesen Gedanken ganz und gar nicht so absonderlich wie sie selbst.
    Es war aber auch kein Mond, der seinen Schein über alles breitete. Es war…
    … nur ein Stern?, wunderte sich Meredith, als sie des silbern strahlenden Punktes, der in der Luft schwebte, gewahr wurde.
    Ehe sich ihre Verwunderung noch vertiefen konnte, nahm etwas anderes ihre Aufmerksamkeit gefangen. Etwas nicht weniger Verwunderliches.
    Die
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