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0891 - Knochenklaue

0891 - Knochenklaue

Titel: 0891 - Knochenklaue
Autoren: Jason Dark
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Zukunft beschäftigten. Ich ließ mich überholen, ich hatte ja Zeit.
    Bei diesem Wetter waren nicht viele Menschen unterwegs. Zumeist Wintersportler, man erkannte es an ihrem Gepäck.
    Das Land schluckte mich. Die »Grenze« zu England hatte ich überquert, die Berge blieben, und anhand der Karte hatte ich gelesen, daß ich mich dem Ort Ripon näherte. Die Straße führte an ihm vorbei, dann auf Harrogate zu, und von dort war es nicht mehr weit bis Leeds, wo ich die Autobahn nahm.
    Es war noch stiller geworden. Die Landschaft umgab mich in einer winterlichen Ruhe. Hin und wieder segelten dunkle Vögel durch die Luft und fanden auf den mit Eis überzogenen Bäumen ihre Landeplätze.
    Die Sonne stand am Himmel, aber sie hatte keine Kraft und wärmte nicht. Deshalb kletterten die Temperaturen auch nicht über den Gefrierpunkt. Sie hielten sich in der Minuszone.
    Ein Schild wies darauf hin, daß ich bis Ripon noch drei Meilen zu fahren hatte, und ich spielte auch mit dem Gedanken, dort eine kleine Pause einzulegen. Die Fahrerei hatte mich doch angestrengt, denn hin und wieder lagen die Eisflächen auf der Straße wie blanke Augen, denen ich ausweichen mußte.
    Ein Kirchturm streckte sich wie ein kantiger Arm in den Himmel. Er gehörte bereits zu Ripon, und als ich nach rechts schaute, weil die Landschaft dort verschwunden war und einer Mauer Platz geschaffen hatte, da entdeckte ich einen Friedhof, der hinter der Mauer lag.
    Und ich sah die Frau an der rechten Seite der Straße. Wahrscheinlich hatte sie dem Friedhof einen Besuch abgestattet und war jetzt auf dem Weg nach Hause.
    Eine völlig normale Szene, nichts Ungewöhnliches. So etwas konnte überall und immer wieder geschehen, aber daß die Frau plötzlich mit einer torkelnden Bewegung nach links ausscherte und dabei auf die Mitte der Straße zulief, war nicht normal.
    In den folgenden Sekunden würde sich entscheiden, ob sie mir vor den Wagen lief oder ob ich es schaffte, den Rover rasch genug zum Halten zu bringen.
    Es war gefährlich, denn auf dem Asphalt schimmerte ein dünner Eisfilm. Also keine Vollbremsung.
    Behutsam sein, mit der Stotterbremse Tempo verlieren.
    Ich behielt zugleich die Frau im Auge und sah, daß die Person die Arme hochriß und die Hände gegen ihren Hals preßte, als wollte sie dort etwas wegreißen, was nicht vorhanden war.
    Diese Frau bewegte sich nicht nur unnatürlich, sie war völlig von der Rolle, und als sie plötzlich auf die Knie fiel, schaffte ich es ebenfalls nicht, den Rover zum Halten zu bringen. Er rutschte, aber er hatte sich gedreht, und ich kam der Frau, die aus der knienden Haltung auf den Rücken fiel, immer näher.
    Dann endlich packten die Reifen. Ich stand leicht schräg, hatte die Frau aber nicht berührt.
    Zischend atmete ich auf, öffnete die Tür und löste den Sicherheitsgurt. Ich stieg aus, war vorsichtig, weil ich nicht auf eine glatte Fläche treten wollte, und hörte das Würgen und Japsen der in der Nähe liegenden Person.
    Ihr Gesicht war entstellt. Derartige Fratzen waren mir nicht unbekannt. Ich hatte sie immer dann erlebt, wenn ein Mensch unter Todesangst litt.
    So war es auch bei ihr.
    Sie bewegte sich, ihre Beine zuckten, als wollten sie mit den Absätzen die harte Erde aufhacken.
    Ihre Augen schienen aus den Höhlen zu quellen; der Mund stand offen. Ich hörte die gurgelnden Geräusche über die Lippen fließen und sah die Haut schon rot und blau anschwellen.
    Ich faßte nach ihren Händen und glaubte, ein Zischen zu hören. Dicht an meinem Ohr, nur für einen Moment, dann war es verschwunden. Ich schaute die Frau an, die nicht glauben konnte, daß sie wieder Luft bekam.
    Sie atmete heftig und verbeugte sich dabei fast. Ihre Augen waren nur trübe Kugeln, aus den Mundwinkeln tropfte Speichel, und ihr Stöhnen ging mir unter die Haut. Sie hatte bei ihrem Fall den Hut verloren. Er war zur Seite gerollt, und ich setzte ihn der Person wieder auf.
    »Es ist okay!« flüsterte ich ihr zu. »Es ist alles okay. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Es geht Ihnen gut, wirklich gut. Ich bin bei Ihnen.«
    Sie starrte mich an, und ich fragte mich, ob sie überhaupt erkannte, daß jemand bei ihr kniete und mit ihr sprach. Das Entsetzen hatte sich in ihren Blick gestohlen, der sich aber änderte, da ihre Augen plötzlich in Tränen schwammen.
    Ich streichelte über ihre kalten Wangen.
    Sie schluckte einige Male, dampfte mir ihren Atem entgegen und wollte etwas sagen, was aber nicht klappte. Ich sah die Flecke an
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