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0859 - Höllenliebe

0859 - Höllenliebe

Titel: 0859 - Höllenliebe
Autoren: Jason Dark
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kommen.
    Das hatte ihr kein Arzt gesagt, sie hatte es gespürt.
    Zwei Kinder!
    Kinder von ihm, von Josephiel, den sie nur einmal in ihrem Leben gesehen hatte, den sie aber niemals würde vergessen können. Seit der Vereinigung mit ihm war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an ihn gedacht hatte. Er war immer präsent, und sein Bild beherrschte ihre Gedanken.
    Wann die Wehen genau einsetzen würden, wußte sie nicht. Sie rechnete damit, daß es in einigen Tagen sein würde, und sie würde die beiden Kinder in ihrer Kammer zur Welt bringen, das war ihr Reich. Die Tante und der Onkel hatten es ihr zur Verfügung gestellt. Seit ihrer Kindheit lebte sie dort. Ihre Mutter war bei Naomis Geburt gestorben, und ihr Vater war nur knapp ein Jahr später in eine Schlucht gefallen und tödlich verunglückt.
    Die Verwandten hatten sie aufgenommen und hatten sie auch nicht verstoßen, als sie schwanger geworden war. Natürlich war sie für die anderen Dorfbewohner zum beherrschenden Gesprächsthema geworden. Ja, sie hatte ihnen allen Schande bereitet, außerdem hatte sich Naomi geweigert, den Namen des Vaters zu nennen.
    Nicht nur sie war angefeindet worden, ihre beiden Verwandten ebenfalls, und sie war mehr als einmal von den ›christlich‹ erzogenen Menschen verflucht worden.
    So manche Nächte hatte sie wach in ihrem schmalen Bett gelegen und über einen Selbstmord nachgedacht. Da aber war ihr immer der Gedanke an Josephiel gekommen. Sie hatte den Eindruck gehabt, als hätte er genau Bescheid gewußt, um was sich ihre Gedanken drehten, und er war wie ein Schatten aus einer anderen Welt einfach in sie hineingetaucht. So war es dann nie zu dieser Tat gekommen.
    Wie es nach der Niederkunft weitergehen sollte, wußte sie auch nicht. Würden die Kinder gesund zur Welt kommen? Sollte sie mit ihnen diesen Ort verlassen, wenn sie größer waren? Aber wohin?
    Vielleicht in eine Gegend, wo die Winter nicht so kalt waren. Die Zeit würde dies ergeben, zunächst einmal mußten die beiden Kinder gesund das Licht der Welt erblicken.
    Jeder Schritt fiel ihr schwer. Das Gewicht drückte, der Bauch war übergroß, und ihr Herz schlug schneller.
    Trotz der Kälte schwitzte Naomi. Ihr Gesicht war warm, wenn nicht sogar heiß geworden. Wenn die Haut von den Schneeflocken getroffen wurde, hatte sie das Gefühl, sie würden beim Schmelzen einfach zischen. Noch tiefer drückte sie den Kopf, denn auch gegen den schneidenden Wind mußte sie sich anstemmen.
    Noch hielt sich die Schwangere im Schutz der Häuser auf. Um den kleinen Kramladen zu erreichen, mußte sie quer über die Straße gehen. Er lag auf der anderen Seite, und hinter dem Schneevorhang wirkten die kleinen, von innen erleuchteten Fenster wie verschwommene, gelblich schimmernde Gesichter.
    Es war Tag, aber Naomi kam sich vor, als würde sie durch eine tiefe Nacht streifen. Die Wolken verdeckten alles. Auch die Berge waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich längst hinter diese grauen Nebelwände zurückgezogen.
    Hier befand sie sich noch in der normalen Welt, in ihrem privaten Umkreis, aber trotzdem kam sie sich abgeschnitten vor. So völlig weg von der Zivilisation. Was im Sommer herrlich sein konnte, war im Winter das kalte Grauen.
    In diesem Teil der Schweiz lief niemand Ski. Es gab keinen Wintertourismus, hier waren die Menschen einzig und allein auf sich gestellt und mußten zusehen, daß sie überlebten. Hier war das Armenhaus dieses so reichen Landes.
    Sie blieb stehen und drehte den Kopf nach links. Die Schneeflocken fegten jetzt von der Seite her gegen sie. Der Wind hatte zugenommen und schon Sturmstärke erreicht.
    Er wuchtete durch das kleine Dorf. Er heulte um die Hausecken herum, er war wütend, er pfiff durch Lücken, er wütete gegen die alten Holzställe, wo die Bretter klapperten, und es hörte sich an, als würde der Tod auf einer Knochenflöte spielen.
    Naomi ging über die Straße. Der Schnee lag wie Watte auf dem Pflaster. Jenseits der Straße und hinter den Häusern begann direkt der Hang, der bereits nach wenigen Metern steil bis in die Schlucht abfiel. Dort war Naomis Vater verunglückt, als hätte das Schicksal selbst Regie geführt, um ihm die Schande der nicht verheirateten und schwangeren Tochter zu ersparen.
    Der Wind packte sie. Er war gierig, als Naomi über die Straße ging. Er war brutal, er stieß sie, und das Gewicht spürte sie jetzt doppelt schwer. Tränen traten in ihre Augen, während sie weiterstampfte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es im
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