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0855 - Geisel der Finsternis

0855 - Geisel der Finsternis

Titel: 0855 - Geisel der Finsternis
Autoren: Volker Krämer
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Artimus, die an ein gieriges Schmatzen erinnerten.
    Dann sah er sie, sah Carmen - oder doch zumindest das, was er als ihr zugehörig identifizieren konnte. Er blickte direkt auf die großeTätowierung, die sich von ihrem Rücken bis hinunter zum Po zog - zwei ineinander verbissene Schlangen; ein Motiv, wie es sicher die Hinterfront unzähliger junger Frauen auf der Welt schmückte. Seltsam, aber daran konnte er sich urplötzlich ganz genau erinnern. Er hatte das Kunstwerk in der letzten Nacht ausgiebig bewundert…
    Das obere Teil desTattoos allerdings war überwuchert von einer grünbraunen Narbenhaut, die sich von dort aus hoch über den gesamten Oberkörper und Kopf der Frau zog, die Artimus als Carmen kennengelernt hatte. Doch dieser Kopf hatte nichts Menschliches an sich, gemahnte eher an ein Reptil, dessen spitze Schnauze von hervorstehenden Eckzähnen eingerahmt war.
    Genau aus diesem hässlichen Maul drangen die Schmatzgeräusche, denn das Ding dort vorne schleckte mit seiner schwarzen Zunge genüsslich über die Rasierklinge, an der noch immer van Zants Blut klebte.
    Der Südstaatler musste sich beherrschen, denn der Würgreiz in seinem Hals wurde plötzlich übermächtig groß. Wie angewurzelt verharrte er an seinem Platz, unfähig, auch nur einen Schritt zu tun. Genau das aber wäre nun dringend angebracht gewesen. Warum floh er denn nicht? Was hielt ihn hier noch fest?
    Artimus konnte seine Augen nicht von der Kreatur abwenden. Mit Entsetzen bemerkte er, dass die Warzenhaut sich Stück für Stück nach unten ausdehnte, nun schon die wunderschönen Beine der Mexikanerin erreicht hatte. Die Verwandlung war beinahe vollzogen.
    Ohne sich nach ihm umzudrehen, begann das Ding, ihn anzusprechen. Carmens Stimme hatte sich von einem wohlklingenden Alt in ein beinahe metallisches Krächzen gewandelt, das in den Ohren des Physikers schmerzte.
    »Gib deine Fluchtgedanken auf, Mensch. Ich banne dich - dagegen bist du machtlos. Und glaube ja nicht, deine Freunde würden dich rechtzeitig finden und dich retten. Sie sind weit entfernt. So lange werde ich mich mit dir nicht mehr beschäftigen.«
    »Verdammt, was willst du Vieh von mir?«
    Artimus rang um seine Selbstbeherrschung. Panik wollte ihn greifen, ihn absolut hilflos machen. Dagegen ging er mit aller Kraft an. Die Kreatur kam geschmeidig auf ihn zu. Nie zuvor hatte van Zant so etwas Makabres erblickt, denn noch immer bewegte sich dieses Carmen-Monster im typisch wiegenden Gang schöner Frauen.
    Nur eine Armlänge vor dem Physiker blieb das Wesen stehen. »Man wünscht dich zu sehen, Mensch. In der Hölle freut man sich regelrecht auf dich. Ich denke, du schließt besser schon jetzt mit deinem Leben ab… oder mit deinem Gott, wenn du denn einen hast.« Ein irres Lachen prallte an Artimus ab.
    Die Hölle? Wer konnte dort schon Interesse an ihm haben? Das stank eher penetrant nach einer plumpen Falle für Zamorra.
    »Warum hast du mich nicht schon gestern getötet? Warum musstest du erst mit mir…« Artimus konnte den Satz nicht vollenden, denn ihm wurde nun mit voller Wucht bewusst, mit wem er in der vergangenen Nacht das Bett geteilt hatte. Ein roter Schleier aus Ekel und Hass legte sich vor seinen Blick.
    Das Wesen verzog sein Maul zu etwas, das vielleicht ein zufriedenes Grinsen sein mochte. »Das hätte ich gekonnt. Sicher. Aber man will dich möglichst lebend - und wenn ich schon ausgewählt wurde, die Drecksarbeit zu machen, dann will ich auch meinen Teil vom Vergnügen bekommen.« Mit einer Klaue streichelte die Höllenkreatur Artimus' Wange. »Ich finde euch Menschen großartig. Ihr sprüht nur so vor Emotionen - Hass und Liebe, Trauer, Glück. Davon ernähre ich mich. Besonders liebe ich euer Blut. Ich schlecke es so gerne.« Mit einer Kralle zog die Kreatur eine blutige Spur über van Zants Hals. Der Wissenschaftler schloss die Augen, als ihm das Ding mit der Zunge über die Haut strich.
    Zufrieden ließ es von dem Physiker ab. »Nun endet der Spaß. Leider. Aber es war wirklich nett mit dir. Du hast meinen Hunger gestillt, zumindest vorläufig.« Mit beiden Krallenhänden umfasste das Wesen den Südstaatler.
    Endlich schwanden Artimus die Sinne, erlösten ihn aus diesem bösen Traum. Für den Augenblick - nur für diesen einen kurzen Augenblick…
    ***
    Sein massiger Körper verschmolz vollkommen mit dem Fels, gegen den er sich lehnte - regungslos, massig, wie tote Materie. Doch er lebte. Wenn es sein musste, dann konnte er eine kleine Ewigkeit in
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