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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt
Autoren: Peter T. Lawrence
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versuchte, gab sie nach. Das Geräusch, das er dabei verursachte, ließ den Schweiß aus allen Poren dringen.
    Hier mußte es sein.
    Mit zitternden Händen suchte er nach Zündhölzern, riß eines an und hielt es an eine mit feuchtem Moos besetzte Tafel, die neben der Tür im Mauerwerk eingelassen war: CLAIRE M. BENNETH geb. 8.7.1802 gest. 21.11.1876
    Fluchend schleuderte er das Zündholz, das ihm die Finger angesengt hatte, zu Boden. Noch schwärzer schien die Nacht nun nach dem kleinen Lichtschein vorher. Hastig ließ er ein neues aufflammen und schob die niedrige Eisentür vollends auf.
    Dumpfe, modrige Luft schlug ihm aus einer leeren Kammer entgegen. In der Mitte des Raumes lag eine Grabplatte aus Marmor, mit einem verdörrten, alten Blumenstrauß darauf. Zwei Kerzenhalter am Kopfende der Platte, das war alles.
    Beim vierten brennenden Zündholz ließ er sich auf die Knie nieder, dann tastete er den Marmor an den Rändern nach einer Fuge ab. Augenblicke später fühlte er die tiefe Kerbe, ließ das Streichholz fallen, faßte nach und schob ächzend die Platte zur Seite. Der Hauch von Moder, Nässe und süßlichem Geruch, der aus der entstandenen Öffnung drang, raubte ihm fast den Atem. Sein Puls raste und er schloß sekundenlang erschöpft die Augen.
    Noch einmal sah er so die kleinen, fetten und aufgedunsenen Wesen mit ihren kahlen, gesichtslosen Köpfen. Er sah sie in ihrem seltsam wiegenden Gang auf das Tor des Friedhofes zuwatscheln und erinnerte sich an George, den dieser entsetzliche Anblick in die Nacht des Wahnsinns getrieben hatte.
    Welch fremde, grauenhafte Welt würde sich hier vor ihm auftun?
    Wieder nahm er ein Streichholz. Gleißende Helligkeit riß für Sekunden die Umgebung aus dem Dunkel, ließ eine feuchtglänzende, mit Moos bewachsene Steintreppe erkennen, die schmal und steil in eine scheinbar bodenlose Tiefe führte.
    „Mein Gott“, betete Warren. „Hilf mir, daß ich hier wieder lebend herauskomme.“
    Dann machte er sich an den Abstieg.
     

     
    Elena Tichles mochte um die sechzig Jahre alt sein. Ihr Gesicht erinnerte mich an einen gütigen Nikolaus, allerdings ohne Bart. Ihren molligen Körper umschmeichelte ein weinrotes Kostüm. Der Duft guten Kaffees stieg mir in die Nase, als sie die Tür öffnete.
    „Oh, Miss Henders!“ rief sie und drückte erfreut Lauras Hand. „Sie sind wie die Toten. Die geben auch keine Ruhe, bis sie mit der Welt in Ordnung gekommen sind.“
    Es war als Scherz gemeint, und weil wir es auch so auffaßten, lachten wir alle. Im Wohnzimmer bat sie uns, auf der Couch Platz zu nehmen.
    „Ich bin gerade dabei, mir einen Abendkaffee zu brauen. Sie werden doch bestimmt eine Tasse mittrinken?“
    Sie blickte mich verlegen an und fragte: „Wie war doch gleich Ihr Name?“
    „Newman, Robert Newman“, antwortete ich lächelnd. „Ich trinke gerne eine Tasse Kaffee mit.“
    Sie eilte in die Küche. Geschirr klapperte, ein Wasserkessel pfiff.
    „Ein Medium habe ich mir anders vorgestellt“, sagte ich zu Laura. „Groß und hager und uralt. So wie eine Hexe. Elena Tichles ist eher ein Hausmütterchen.“
    „Sie ist reizend, aber du solltest sie mal sehen, wenn sie in Trance ist, Rob. Du wirst sie nicht wiedererkennen.“
    „Sprachen Sie gerade von mir, Miss Henders?“
    Elena Tichles kam mit einem Tablett, setzte es an der Tischkante ab und reichte mir eine Tasse herüber.
    Laura sagte: „Ich erzählte Mister Newman gerade, wie sehr Sie sich verändern, wenn Sie sich in Trance befinden. Zweimal habe ich das miterleben dürfen, und immer wieder war ich fasziniert. Es ist, als befänden Sie sich gar nicht mehr auf dieser Welt.“
    „Es ist auch nicht mehr diese Welt, in der ich dann verweile, Miss Henders“, antwortete Elena Tichles. „Nur mein Körper bleibt zurück, nur der Körper.“ Sie sah mich nachdenklich an. „Viele fürchten sich vor einer Begegnung mit einem Verstorbenen. Bei mir ist das anders. Ich fühle mich regelrecht glücklich, wenn ich bei ihnen bin. Meine ganze Kraft gebe ich ihnen in diesen wunderbaren Augenblicken. Können Sie das verstehen, Mr. Newman?“
    „Ich glaube, ja.“
    „Ich habe Mr. Newman die Geschichte von Dr. Warren erzählt“, sagte Laura. „Inzwischen habe ich herausgefunden, daß der Doktor 1890 wegen Mordes zum Tode verurteilt wurde. Wenn es möglich wäre, Mrs. Tichles, würde ich Dr. Warren gerne ein paar Fragen stellen.“
    Die alte Dame setzte ihre Tasse ab und sah Laura ängstlich an. „Kindchen“, sagte sie
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