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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt
Autoren: Peter T. Lawrence
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besorgt. „Ich habe Ihnen doch erzählt, welch furchtbarer Kampf sich zwischen ihm und dieser Frau in dem langen Gewand abspielte. Er hat furchtbar gelitten, und ich werde das Gefühl nicht los, daß jene Frau ihn zurückzuhalten versuchte.“
    „Er wollte Ihnen etwas mitteilen“, sagte Laura mitfühlend. „Ich finde, Sie sollten ihm Gelegenheit geben zu berichten.“
    Das Medium sah mich nachdenklich an.
    „Und Sie, Mr. Newman? Sind Sie derselben Meinung?“
    Ich nickte.
    „Ja. Ich finde das auch. Anfangs war ich dagegen, aber Miss Henders hat Gerichtsakten in alten Archiven gefunden, in denen der Doktor ungewöhnliche Dinge schildert. Wenn er sich jetzt, fast 90 Jahre später, wieder mitzuteilen versucht, sollte man ihn tatkräftig unterstützen. Er möchte auf sich aufmerksam machen. Aber allein wird er kaum die Kraft haben, ein zweites Mal zu erscheinen. Daher sollten wir ihn jetzt – wo wir seinen Namen und sein Schicksal kennen – zu uns rufen, Mrs. Tichles. Diese Chance muß er bekommen.“
    Elena Tichles sah mich verdutzt an.
    „Das war gut gesagt, mein Junge“, erklärte sie. „Sehr gut haben Sie das formuliert. Tatsächlich, ich glaube, Sie haben recht. Wir müssen dieser armen, bedrängten Seele helfen.“
    Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie sich auch schon im Sessel zurücklehnte, die Augen schloß und sich zu konzentrieren begann. Wir saßen ihr still gegenüber und warteten.
    „Ich spüre euch …“ Die Lippen der alten Dame begannen plötzlich nervös zu zucken. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und ruhten verkrampft, mit weißen Knöcheln, auf den Armlehnen des schweren Sessels. „Ich fühle eure Gedanken“, flüsterte sie. „Wir sind uns nach, sehr nach. Eure Gedanken sind stark. Dr. Warren – hören Sie mich? Dr. Warren, melden Sie sich!“
    Ihr Aussehen veränderte sich nun unheimlich schnell. Das freundliche, mollige Gesicht wurde wächsern und farblos. Sie wand sich zuckend, wie ein sterbendes Tier im Sessel, öffnete weit den Mund, keuchte und wurde schließlich von einem Zittern befallen, das den ganzen Körper erfaßte.
    „Mein Gott“, sagte ich. „Wie sie sich quält! Und das soll ihr Freude bereiten?“
    „Psst, Rob! Wir dürfen sie nicht stören. Es wird nicht mehr lange dauern. Noch ist die Tieftrance nicht erreicht.“
    Ihr innerer Kampf dauerte an. Minute um Minute verstrich. Ich litt mit ihr, als ich sah, wie ihr Körper hochgerissen wurde, um Sekunden später wieder schlaff zurückzufallen. Sie gab klägliche Töne von sich und stöhnte unter den unsichtbaren Kräften und Gewalten, denen sie sich ausgesetzt hatte. In ihrem Gesicht zuckte es, wie unter Stromstößen. Dann lag sie plötzlich still da. Nicht starr wie eine Tote, sondern wie eine Frau, die eben ein kurzes Nickerchen macht.
    „Dr. Warren!“ hörte ich neben mir Laura sagen. „Ich weiß, daß Sie mich hören können, denn Elena Tichles hat Sie gerufen. Sie sind jetzt in diesem Raum!“
    Schwach, unendlich schwach und verschwommen schwebte etwas Nebelhaftes, Transparentes über dem Sessel des Mediums.
    „Sie halten mich!“ Klar und deutlich, wenn auch leise, erklang die brüchige Stimme eines älteren Mannes. „Sie wollen nicht, daß ich komme …“
    Ich sah zu Laura, die blaß und bewegungslos gleich einer Statue dasaß und das helle, ein wenig phosphoreszierende Gebilde über dem Sessel fixierte.
    „Ich habe die Akten über Ihren Prozeß gelesen“, sagte sie mit fester Stimme. „Und ich glaube an das, was Sie schilderten. Aber ich muß mehr wissen! Viel mehr, Dr. Warren. Wo leben diese Wesen? Was sind sie? Und was wollen sie?“
    Das schillernde Gebilde sank etwas tiefer, schwebte in etwa einem Meter Höhe durch den Raum und verharrte dicht neben der Tür. Dort begann es aus dem Nichts heraus zu wachsen und zog sich bis zum Boden hinunter. Kaum erkennbar zeichneten sich die Umrisse eines Mannes ab, wurden stärker, deutlicher. Plötzlich fühlte ich eine unangenehme Kälte von dort kommen, wo das nebelartige Gebilde sich immer mehr zu dem Bildnis eines Mannes materialisierte.
    Ich war fasziniert und beklommen zugleich, denn noch nie hatte ich an einer solchen Sitzung teilgenommen. Zwar glaubte ich fest an die Möglichkeit, daß Verstorbene sich irgendwie ihrer Nachwelt mitteilen konnten, doch die meisten dramatischen Schilderungen meiner Bekannten hatte ich als unsinnig abgetan. Und nun stand er vor uns. Groß, ein Gebilde aus Gas und Nebel, aber deutlich erkennbar – jener Mann, der
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