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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau
Autoren: Frank Sky
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Tisch für die Folter vorbereitete. Offensichtlich war etwas am Tisch verändert worden. Der Henker brachte es unwillig brummend wieder in Ordnung. Anne erkannte, daß sie bald überhaupt keine Chance mehr hatte, dem grausigen Schicksal zu entrinnen. Wenn sie erst einmal angekettet auf dem Tisch lag und gestreckt wurde, war es für jede Rettung zu spät.
    Der Henker kümmerte sich im Moment nicht um sie. Er wußte recht wohl, daß sie nicht aus der Folterkammer entkommen konnte. Alle Zugänge waren mit Eisenplatten versperrt.
    In diesen letzten Minuten, die ihr noch blieben, dachte Anne Bloom erstaunlich klar und nüchtern, so als ginge sie das alles schon nichts mehr an. Sie wußte, sie mußte etwas tun, wenn sie überleben wollte. Sie durfte nicht warten, bis der Henker mit seiner Folter begann.
    Sie erhob sich und trat dicht an die Hellebarde heran, dabei den Henker ständig beobachtend, um nicht von ihm wieder überrascht zu werden. Dann nahm sie das Schwert auf und schlug mit dem Griff gegen die Mauer, bis es plötzlich hohl klang.
    Offensichtlich hatte sie die Kammer gefunden, in der die Gebeine Ulrikes lagen. Erneut schöpfte sie Hoffnung. Sie blickte über die Schulter zum Henker hin. Er stand am Tisch und spannte einige Ketten. Die weiße Frau schwebte hinter ihm und hielt ihre Hände schützend über ihn.
    Anne versuchte mit dem Schwert den Mörtel abzukratzen, der sich als unerwartet hart erwies, dennoch stellten sich die ersten Erfolge bald ein. Sie scharrte und schabte so schnell und so heftig sie nur konnte. Sobald ein Stein locker saß, wuchtete sie ihn aus der Wand. Auf diese Weise gelang es ihr, in kurzer Zeit sieben Steine herauszubrechen. Sie konnte aber noch nicht in die Höhle sehen, die dahinter lag, als sich die Hand des Henkers auf ihre Schulter herabsenkte.
    Anne erstarrte.
    „Komm, mein Kind!“ sagte er mit fast gütiger Stimme. „Es ist soweit. Es muß getan werden. Gott sei deiner armen Seele gnädig!“
    Sie fuhr herum.
    „Nein!“ keuchte sie. „Nein, ich will nicht!“
    „Es muß sein“, sagte er. „Es muß. Da du die Wahrheit nicht bekennen willst, muß ich dir die Zunge lösen.“
    „Die Wahrheit? Was für eine Wahrheit? Was soll ich bekennen?“
    „Leg dich auf das Streckbett!“
    „Nein!“
    Er packte sie mit beiden Händen an den Schultern, riß sie herum und schleuderte sie brutal auf das Streckbett. Sie versuchte zu fliehen, aber er war schneller. Flink und geübt legte er ihr die Ketten um Hand- und Fußgelenke. Mit abgespreizten Armen und Beinen lag Anne Bloom auf dem Folterinstrument. Hilflos blickte sie auf die Öffnung in der Wand.
    „Ulrike!“ rief sie beschwörend. „Sieh hinein! Bitte, sieh doch hinein!“
    Die weiße Frau stand neben ihrem Kopf. Sie kicherte irre. Anne Bloom verlor jede Hoffnung, als sie erkannte, daß Ulrikes Geist ihr nicht mehr zugänglich war. Ulrike hörte gar nicht, was sie sagte.
    Der Henker griff ins Räderwerk.
     

     
    Dr. Schwab lief wie von Sinnen auf dem Flur auf und ab. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, in die Folterkammer zu kommen. Frau von Stöckingen brachte ihm die Nachricht, daß sie die Polizei und den Rettungsdienst verständigt habe. Er hörte sie kaum. Die Schulleiterin eilte ins Lehrerzimmer, wo sich das Kollegium zu einer Geisterbeschwörung versammelt hatte. Dr. Schwab glaubte nicht, daß sie damit Erfolg haben würden.
    Plötzlich flog die Eingangstür krachend auf. Scherben klirrten, und ein Blitz erhellte die Finsternis. Der Regen peitschte ins Haus.
    Dr. Schwab wollte die Tür wieder schließen, als der alte Keschmer sich hereindrängte. Er triefte.
    „Bitte!“ sagte der Schwachsinnige. „Will nicht naß werden.“
    Er schob sich an Schwab vorbei, eilte die Treppe einige Stufen hinauf, setzte sich, umschlang seinen Oberkörper mit den Armen und schüttelte sich.
    „Kalt. Es ist kalt, Herr.“
    Er wischte sich das Wasser mit beiden Händen aus dem Gesicht und blickte den Mathematiklehrer forschend an; dabei bedeckte er die vernarbte Augenhöhle mit der linken Hand.
    Dr. Schwab ging zu ihm, ließ sich dicht vor ihm auf die Knie nieder und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Und plötzlich kam ihm die rettende Idee.
    „Warum, Keschmer, warum kommst du hierher? Warum gehst du nicht in die Folterkammer?“
    „Darf nicht. Frau von Stöckingen hat’s verboten.“
    Dr. Schwab nickte. „Ich erlaube es dir. Wenn du willst, gehen wir gemeinsam. Willst du?“
    Der Schwachsinnige schüttelte den
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