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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau
Autoren: Frank Sky
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preßte die Hand an den Hinterkopf.
    Sie fühlte die Beule, die sich gebildet hatte.
    „Sie lagen vor dem Bett, Anne“, erklärte Dr. Schwab. „Sie sind gestürzt. Wollen Sie mir nicht sagen, was hier vorgefallen ist?“
    „Es – ist – nichts“, erwiderte sie stockend.
    Sie wollte sich aufrichten, aber er legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    „So geht das doch nicht!“
    „Ich möchte in mein Zimmer zurück. Sind Sie sich eigentlich dessen bewußt, was für Folgen das haben könnte, wenn man uns in dieser Situation überrascht?“
    Sie vernahmen Schritte und Stimmen auf dem Flur. Anne Bloom schlüpfte aus dem Bett, nahm den Morgenmantel ihrer Schülerin und streifte sich ihn über; gerade rechtzeitig, denn unmittelbar darauf klopfte es an der Tür.
    „Gerlinde? Was ist los? Haben Sie gerufen?“
    „Das ist Dr. Lohmann“, sagte Anne.
    Sie wollte Dr. Schwab zurückhalten, doch er ging zur Tür und öffnete.
    Der Geschichtslehrer war noch angezogen. Aus kurzsichtigen Augen musterte er Dr. Schwab und blickte unsicher an ihm vorbei. Nervös rückte er seine Brille zurecht.
    „Was ist denn los?“ fragte er.
    Hinter ihm erschienen einige Schülerinnen auf dem Flur. Sie drängten sich heran und tuschelten miteinander. Einige von ihnen kicherten.
    „Laßt mich mal durch!“ sagte eine energische Frauenstimme.
    Die Mädchen wichen zur Seite und ließen die Schulleiterin durch.
    Frau von Stöckingen war eine ältliche Dame mit einem herben Gesicht. Ihre Stimme klang befehlsgewohnt. Sie trug einen dunklen Morgenrock, der sich eng um ihre schlanke Figur schmiegte.
    „Fräulein Bloom – Dr. Schwab? Was hat das zu bedeuten?“
    „Wir suchen Gerlinde“, antwortete Anne rasch. „Sie ist verschwunden.“
    „Ach?“ sagte Dr. Lohmann argwöhnisch. „Mitten in der Nacht? Darf man wissen, was Sie, liebe Kollegin, zu dieser Stunde in das Schlafzimmer einer Ihrer Schülerinnen getrieben hat?“
    Anne Bloom errötete. Sie suchte verzweifelt nach einer Antwort.
    „Kommen Sie!“ sagte Frau von Stöckingen. „Ich möchte mit Ihnen sprechen. Aber nicht hier.“
    Sie wandte sich um und ging voran. Anne Bloom und Dr. Schwab blickten sich kurz an und folgten ihr. Dr. Emil Lohmann musterte sie mit verkniffenem Mund und verengten Augen. Ihm war anzusehen, daß er sich seine besonderen Vorstellungen von der Situation machte und sich sein Urteil bereits gebildet hatte.
    „Skandal“, sagte er leise, aber doch so laut, daß die Englischlehrerin es hören konnte.
    Dann schloß er sich der Lehrergruppe an. Die Mädchen tuschelten wieder miteinander. Sie griffen den Vorfall so kurz vor den Sommerferien begierig auf und ließen ihrer Phantasie nur zu gern freien Lauf.
    Die Schulleiterin führte die beiden Lehrer und Anne Bloom in das Lehrerzimmer und bat sie, Platz zu nehmen.
    „Bitte, Fräulein Bloom, sagen Sie mir jetzt, was vorgefallen ist.“
    Anne zögerte noch immer. Sollte sie berichten, was sie gesehen hatte? Würde man ihr überhaupt glauben?
    „Ich habe mich wohl ziemlich dumm benommen“, erklärte sie schließlich. „Ich bin kurz nach Mitternacht aufgewacht. Jemand war in meinem Zimmer.“
    „Wie bitte?“ fragte Frau von Stöckingen scharf. „Wer war das?“
    „Ich weiß es nicht“, entgegnete die Englischlehrerin. „Ich nehme einfach an, daß die Mädchen sich einen schlechten Scherz erlaubt haben. Eine von ihnen hat sich als – hm, nun ja, Gespenst verkleidet und ist zu mir gekommen, um mich zu erschrecken. Sie wissen ja, ich bin etwas schreckhaft, und das wissen die Mädchen natürlich auch. Leider bin ich auf diesen typischen Schülerunsinn hereingefallen. Ich bin aus meinem Zimmer geflohen, die Treppe hinuntergerannt und in das erste Zimmer gestürzt, an dem ich vorbeikam. Es war das Zimmer von Gerlinde Schultheiß.“ Anne krauste die Stirn und nickte plötzlich eifrig. „Natürlich!“ rief sie, und ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Deshalb ist Gerlinde auch nicht dagewesen! Sie muß mir diesen Streich gespielt haben! Obwohl ich so etwas gerade von Gerlinde eigentlich nicht erwartet hätte.“
    „Eine fabelhafte Geschichte, die Sie sich da ausgedacht haben“, bemerkte Dr. Lohmann abfällig. „Leider ist sie völlig unglaubwürdig. Niemand erschrickt vor einem Bettlaken.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“ fragte Anne scharf.
    „Daß die ganze Geschichte anders war. Etwas ganz anderes hat Sie mitten in der Nacht zu Gerlinde getrieben.“
    „Ich verstehe Sie nicht, Dr.
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