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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau
Autoren: Frank Sky
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sagte er, als sie Gerlindes Zimmer erreichten. „dann dürfen wir doch wohl von der Annahme ausgehen, daß das Mädchen in seiner Angst zu Ihnen fliehen wollte. So wie Sie zu ihr wollten.“
    „Ja, ich glaube, Gerlinde würde bei mir Schutz suchen.“
    „Dann beginnen wir am besten oben bei Ihnen mit der Suche.“
    „Sie ist nicht in mein Zimmer gekommen.“
    „Sie könnte aber in der Nähe Ihres Zimmers sein.“
    Sie stiegen die Treppe hoch. Dr. Schwab blickte sich forschend um. Vier Türen zweigten von dem Gang ab, an dessen Wänden die Ölgemälde der alten Schloßherren hingen. In einigen Nischen waren die noch vorhandenen Waffen aufgestellt worden; neben einer der Türen stand eine Ritterrüstung; und am Ende des Ganges fiel eine mächtige Eichentruhe auf, die mit kunstvoll geschmiedeten Beschlägen versehen war. Über ihr hing das Bild des Grafen Hugo von Groningen, von dem die Chronik des Schlosses berichtete, er hätte ein besonders strenges und hartes Regiment geführt.
    Dr. Schwab ging auf die Truhe zu. Anne Bloom folgte ihm zögernd. Je näher sie dem alten Möbelstück kam, desto sicherer war die Lehrerin, daß sie Gerlinde bereits gefunden hatten.
    Dr. Schwab faßte nach dem Deckel der Truhe.
    „Er ist schwer“, stellte er ächzend fest. „Er läßt sich kaum hochheben.“
    Er ließ ihn wieder sinken und schüttelte den Kopf.
    „Gerlinde kann nicht drin sein. Sie hätte den Deckel niemals allein anheben können.“
    Er sah, daß Anne Bloom kreidebleich geworden war.
    „Was fehlt Ihnen?“
    „Sie ist – ist da drin. Ich habe eine Hand gesehen.“
    Dr. Schwab fuhr herum, packte den Deckel und hievte ihn hoch. Und dann konnten sie auch sehen, warum er sich so schwer bewegen ließ. Gerlinde hatte ihren Arm durch einen Ring an der Innenseite geschoben, wahrscheinlich, um den Deckel besser festhalten zu können.
    Dr. Schwab beugte sich über das Mädchen, legte eine Hand an ihren Hals und tastete nach dem Puls.
    „Sie ist tot“, sagte er. „Wahrscheinlich ist sie erstickt. Sie floh vor dieser Gestalt in die Truhe und kam nicht wieder heraus.“
     

     

„Wir haben sie gefunden“, berichtete Anne Bloom Frau von Stöckingen.
    Dr. Schwab, ein geschickter Psychologe, ließ die junge Lehrerin sich alles von der Seele reden.
    Die Schulleiterin stand am Fenster ihres Arbeitszimmers. Von draußen drang das Gelächter und Geplapper der Mädchen zu ihnen herein, die nicht begriffen hatten, wie ernst die Situation war. Die Schülerinnen glaubten immer noch an einen Scherz. Vielleicht meinten sie auch, Gerlinde sei in ein amouröses Abenteuer verwickelt. Für Anne war diese fröhliche Unbeschwertheit unerträglich. Sie wäre am liebsten hinausgerannt und hätte den Mädchen befohlen, still zu sein; aber sie wußte, daß sie das nicht so ohne weiteres tun durfte.
    „Ich habe eine Erscheinung gehabt“, erklärte sie der Schulleiterin. „Ich habe eine durchscheinende, weiße Frau gesehen. Sie hat mich bedroht. Vor ihr bin ich geflohen.“
    „Fräulein Bloom“, entgegnete Frau von Stöckingen barsch. „ich denke, es ist nicht an der Zeit, unpassende Scherze zu machen.“
    „Ich meine es völlig ernst.“ „Ihre Bemerkung ist einfach geschmacklos. Oben liegt Ihre Schülerin – tot, und Sie scheuen sich nicht, mir ins Gesicht zu sagen, in meinem Schloß spuke es. Wie lange sind Sie schon hier?“
    „Ein Jahr.“
    „Ein Jahr. Das war vielleicht schon zu lange. Ich lebe zwölf Jahre in diesem Gebäude. In diesen zwölf Jahren hat es nicht ein einziges Mal eine Erscheinung gegeben, die man als ungewöhnlich hätte bezeichnen können. Ich fürchte, ich habe zu überdenken, ob Sie nach den Vorfällen dieser Nacht als Lehrkraft für mein Pensionat noch länger tragbar sind.“
    „Frau von Stöckingen“, sagte Dr. Schwab empört. „jetzt gehen Sie aber zu weit!“
    „Wie soll ich mich einer Person gegenüber verhalten, die sich erlaubt, mir derartige Geschmacklosigkeiten ins Gesicht zu sagen? Wir sprechen uns noch.“
    Die Schulleiterin ging zu ihrem Schreibtisch und griff zum Telefon.
    „Ich werde die Polizei und den Arzt verständigen. Lassen Sie mich, bitte, allein!“
    Anne Bloom und der Mathematiklehrer gingen hinaus.
    In der Tür drehte Dr. Schwab sich nochmals um. „Sollen wir die Suchaktion abblasen?“
    „Läuten Sie und beginnen Sie mit dem Unterricht! Sagen Sie den jungen Damen, daß Gerlinde einem Unfall zum Opfer gefallen ist. Mehr nicht.“
    Anne Bloom verließ das Gebäude mit
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