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0815 - Die Schlangenschwester

0815 - Die Schlangenschwester

Titel: 0815 - Die Schlangenschwester
Autoren: Christian Montillon
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so ruckartig zurück, dass er zu Boden stürzte, und ging rasch die wenigen Schritte zu Sandrine. Sie fasste sie mit beiden Händen an den Schultern und schüttelte sie durch. »Weil uns ein Arschloch von Hexer mit irgendeinem Scheiß infiziert hat!«
    Sandrine stieß die Hände nach oben und sprengte den Griff Carmens. Dabei hinterließen ihre Fingernägel einige blutige Striemen an Carmens Wange und ihren zierlichen Nasenflügeln. Schwarzrot quoll es daraus hervor, doch die Tropfen zerpulverten in der Luft zu Asche, noch ehe sie den Boden erreichten.
    Carmens Hand zuckte zu ihrer Verletzung, und ihre Miene verzog sich schmerzlich. Stumm wandte sie sich ab, hob ihren Stuhl auf und setzte sich an den Tisch. »Du kannst gehen, wenn du willst, Sandrine«, sagte sie leise.
    Die Angesprochene antwortete mit keinem Wort. Carmen drehte sich nicht um, denn diese Blöße wollte sie sich nicht geben. Ein letzter Rest von Stolz war ihr verblieben. So hörte sie, wie sich die Tür ihrer kleinen Wohnung knarrend öffnete und mit einem furchtbar endgültigen Knallen wieder ins Schloss fiel.
    Carmen schloss die Augen und drückte ihre geballten Hände darauf. Sie waren schon öfter in Streit geraten, aber noch nie war es derartig ausgeartet. Ihre Hände verkrampften sich Sekunden später um die Tischkante, und einer ihrer ungepflegten Nägel brach.
    Sie stand auf, nur um irgendetwas zu tun. Sie wusste nicht, ob sie zornig, enttäuscht oder einfach nur traurig sein sollte.
    Dann öffnete sich die Tür wieder, und Carmen empfand Erleichterung. War Sandrine also doch zur Vernunft gekommen.
    Doch es handelte sich nicht um die Freundin und Leidensgenossin.
    Sondern um ihren personifizierten Albtraum.
    »Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte der Hexer, der sie zu einer Kreatur der Finsternis gemacht hatte.
    ***
    Carmen wirbelte herum, und in einem Reflex ergriff sie das Küchenmesser, das noch auf dem Tisch lag. Wie gut, dass sie nicht die Schnellste war, wenn es darum ging, nach Mahlzeiten den Tisch wieder ordentlich herzurichten.
    Ihre rechte Hand ballte sich schmerzhaft um den Griff, und schon stürmte sie auf den ungebetenen Gast zu. All der Hass, der sich in den letzten Jahren in ihr aufgestaut hatte, brach sich in diesen Sekunden Bahn.
    Sie hob das Messer und stieß zu.
    Wieder.
    Und wieder.
    Der erste Stoß drang in den Brustkorb, der zweite in die linke Schulter des Hexers, der dritte schrammte über die Stirn und ging dann ins Leere.
    Dann spürte Carmen, wie eine unsichtbare Faust sie traf, und ihr das Messer aus ihrer Hand geprellt wurde. Statt nach unten zu fallen, jagte die Klinge senkrecht in die Höhe und blieb zitternd in der massiven Betondecke des Raumes stecken; zwei objektive Tatsachen, die völlig unmöglich waren.
    »Ich gebe zu, du hast mich überrascht«, sagte der Hexer jovial und schüttelte grinsend den Kopf. »Es ist nicht gut, wenn sich die Kreaturen gegen ihren Meister erheben.« Er sah Carmen an und sprach ein Wort, das derart fremdartig klang, dass ihr Verstand sich weigerte, die Buchstabenfolge zu erkennen.
    Ein blau fluoreszierendes Etwas jagte, sich um die eigene Achse drehend und ein dissonantes Summen von sich gebend, auf Carmen zu. Direkt vor ihrer Brust verharrte es in der Luft.
    »Wo ist deine Freundin?« Der Hexer trat an sie heran. Er überragte sie um Haupteslänge und sah aus seinen gnadenlosen Augen auf sie herab.
    »Sie hat eben den Raum verlassen«, stieß Carmen atemlos hervor, mit geweiteten Augen auf das blaue Phänomen starrend.
    »So«, fuhr ihr Gegenüber im Plauderton fort, »hat sie das? Sehr schön. Dann brauche ich dich ja nicht mehr. Denn - wie ich dir eben sagte - es ist nicht gut, wenn die Kreatur sich erhebt, um ihrem Herrn zu schaden.«
    Die Kugel zuckte nach vom und bohrte sich in Carmens Herz, das unter der Einwirkung der tödlichen Magie schmolz. Eine unendliche Leere breitete sich in Carmens Brustkorb und in ihrer Seele aus.
    »Nein, so etwas«, zischte der Hexer, streckte die Hand aus und richtete sie hoch zur Decke des Raumes. Mit einem schabenden Geräusch löste sich das Küchenmesser und fiel zielstrebig in die ausgestreckte Hand. »Damit wolltest du mich töten?«, fragte er die steif stehende Carmen, deren Gehirn noch immer von untotem Leben erfüllt war. »Mit einem Messer ?«
    Der Hexer lachte schallend, als er die Waffe an der Klinge fasste, zielte und sie dann Carmen entgegenschleuderte. Er traf genau, und jetzt endlich - endlich -anerkannte Carmens
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