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0813 - Warten auf den Todesstoß

0813 - Warten auf den Todesstoß

Titel: 0813 - Warten auf den Todesstoß
Autoren: Jason Dark
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nichts mehr. Wenn ein Geräusch erklang, verursachte ich es selbst, oder aber es drang aus dem fernen Sumpf an meine Ohren, wo zahlreiche Tiere die Nacht begrüßten.
    Die Türöffnung malte sich als graues Rechteck ab. Wenn ich hindurchtrat, würde mein Schatten sehr deutlich zu sehen sein. Riskieren musste ich es trotzdem. Dabei hielt ich das Risiko so gering wie möglich, denn ich bewegte mich sehr schnell.
    Wie ein Schatten huschte ich in die alte Station – und wurde von der Dunkelheit umfangen.
    Sofort ging ich zur Seite weg. Mit schnellen Schritten erreichte ich die gegenüberliegende Seite, wo ich an der Wand zwischen zwei Fensteröffnungen meinen Platz fand.
    Keiner hatte mich erwartet.
    Ich stand allein in der Dunkelheit. Wirklich allein?
    Um mich herum dampfte es. Ein ungewöhnlicher Dunst hüllte mich ein. Ich hatte ihn bei meinem Eintreten nicht gerochen, doch plötzlich war er da.
    Kein Nebel, wenn, dann sehr dunkel und auch widerlich. Es roch nach Blut!
    Ich schluckte.
    Blutgeruch kannte ich. Ich mochte ihn nicht. Niemand war verletzt worden – oder?
    Es gab nur eine Lösung.
    Lorna Löhndorf hatte Giselle Smith-Prange getötet. Sie war darauf fixiert gewesen, sie hatte kein Erbarmen gekannt, sie hatte es mir versprochen.
    Was hinderte mich trotzdem daran, dies zu glauben? Vielleicht der Gedanke, dass sie es sich zu leicht machen würde. Das passte einfach nicht.
    Ein Schnitt und fertig.
    Menschen oder Unmenschen wie sie wollten ihre Rache genießen, und ich hatte auch nicht den schrecklichen Laut vergessen, der nach draußen gehallt war.
    Meine Magenmuskeln zogen sich zusammen, weil sich der Blutgeruch intensiviert hatte. In dumpfen Wolken wehte er wie ein fremdartiges Wesen durch die Finsternis.
    Es roch süßlich, zugleich scharf und stockig…
    Wo kam er her?
    Da hörte ich das Kichern.
    Ich schrak zusammen, als hätte man mich mit einer Peitsche geschlagen. Dieses Kichern war einfach grauenhaft. Es war über und neben mir, es hallte durch die leere Halle, als hätte ein Geist seinen Triumph mir ausgekippt.
    Kein Geist, das war Lorna…
    Das Kichern verstummte.
    Fünf Sekunden wartete ich ab.
    Dann rief ich ihren Namen.
    Sie lachte wieder.
    Diesmal hatte ich mich besser konzentriert. Ich wusste auch, woher das Lachen gekommen war.
    Da gab es doch den Kamin!
    Mein Hals trocknete aus, der Magen zog sich zusammen. Ich spürte den plötzlichen Druck, der meine Augen erwischte. Ob es an diesem Gestank lag oder an meinem Zustand, das konnte ich nicht sagen, jedenfalls musste ich mich den schrecklichen Tatsachen stellen.
    Um den Kamin zu erreichen, ging ich quer durch den Raum. Viel mehr sah ich nicht, nur schattenhaft zeichnete sich der Umriss des Kopfes und der des Körpers ab. Halbverwest schaffte es dieser Geruch nicht einmal, den anderen zu übertünchen.
    Immer deutlicher schob sich der Umriss des Kamins aus der Düsternis hervor. Die große Haube wirkte wie eine gewaltige Kopfbedeckung, die jemand vergessen hatte, auf den Boden zu ziehen.
    Eine Körperlänge davor blieb ich stehen.
    Lorna meldete sich wieder. Zuerst lachte sie, dann sprach sie mit ihrer Flüsterstimme. Sie erreichte mich durch die breite Kaminöffnung wie ein schauriger Singsang. »Ich bin wieder hier oben, Sinclair. An meinem Platz.« Die Stimme erfuhr eine Veränderung. Jetzt redete sie wie ein kleines Mädchen. Sie kicherte auch so laut. »Hier oben an meinem Platz. Jetzt liebe ich ihn…«
    Ich bewegte mich nach vorn.
    Etwas rumpelte über mir.
    Es drang kein Schwall Blut aus der Öffnung, aber der Geruch störte mich schon.
    Wieder das harte Rumpeln. Eine Staubwolke drückte sich aus der Öffnung, und sie konnte nicht das verbergen, was sie eigentlich verdecken sollte.
    Es war Giselle Smith-Prange!
    Eine Tote!
    Sie landete vor meinen Füßen, als hätte man sie einfach weggeworfen. Ich wollte hinausschauen, aber die Stimme dieser Lorna Löhndorf lenkte mich ab. »Ich habe es bewusst getan, weißt du? Auch sie sollte spüren, wie es ist, wenn man feststeckt. Sie sollte endlich merken, dass ich Qualen gespürt habe. Ja, verdammt noch mal, das sollte sie. Ich habe sie hineingedrückt und gestoßen, und dann…«, wieder das helle, böse Lachen. »Schau selbst nach.«
    Wenn es je unschöne und furchtbare Fälle für mich gegeben hatte, so zählte dieser dazu.
    Der Staub hatte sich gelegt. Nur noch vereinzelt rieselten Schmutzstücke aus der Öffnung. Ich benötigte nicht mal eine Lampe und hätte sie auch nicht eingeschaltet,
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