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0813 - Warten auf den Todesstoß

0813 - Warten auf den Todesstoß

Titel: 0813 - Warten auf den Todesstoß
Autoren: Jason Dark
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nicht viel, er war nicht mehr als eine graue Decke, an der dunkle Wolken klebten. Die Tierstimmen aus dem Sumpf waren jetzt noch besser zu hören. Leise Schreie, hin und wieder auch ein lang gezogenes Quaken, wenn sich Frösche meldeten.
    Ich wartete, hörte ein Klatschen – fuhr herum, atmete auf, denn es war ein Vogel, der sich aus seinem Versteck gelöst hatte und in den dunklen Himmel stieg.
    Ich verfolgte ihn nicht einmal mit den Blicken, sondern konzentrierte mich wieder auf die Umgebung.
    Die Stille war belastend für mich, doch dann war ein Knacken zu hören. Ein Schaben folgte, und einen Augenblick später rutschte eine Dachpfanne zu Boden, die dicht in meiner Nähe zerschellte.
    Blitzartig sprang ich zur Seite, drehte mich und schaute gleichzeitig in die Höhe.
    »Hallo… John …« Eine süßlich klingende Kinderstimme schwang mir entgegen, Lorna Löhndorf hatte sich wieder gemeldet. Es war mir egal, wie sie es geschafft hatte, das Dach zu erreichen, jedenfalls stand sie auf dem First und schaute herab.
    Und sie schwenkte ihre Waffe.
    Wieder sah ich dieses verdammte Messer, dessen Klinge wie ein matter Spiegel wirkte. Sie zog es durch die Luft, sie täuschte Körper vor, in die sie die Klinge hineinrammen wollte. Dabei bewegte sie sich auch selbst. Auf dem schmalen First führte sie einen Tanz auf, der mich beeindruckte. So konnte sich kaum ein Mensch bewegen, das musste jemand sein, dem übermenschliche Kräfte zur Verfügung standen.
    Ich hob den rechten Arm und die Beretta mit. Ich wollte sehen, ob Lorna nur tanzte oder mich auch unter ihrer Kontrolle hielt. Sie wusste, was eine Schusswaffe war und sie hörte auf.
    »Willst du schießen?«
    Ich zwinkerte, weil es mir nicht passte, dass Nebelschleier an mir entlangstreiften.
    »Dann schieß doch!«
    Ich richtete die Mündung auf ihre Brust. So musste ich sie erwischen. Für mich war sie kein Mensch mehr, sie hätte längst völlig gealtert oder tot sein müssen, deshalb…
    Da flog sie hoch.
    Im ersten Moment sah sie aus wie ein Engel, der sich den eigenen Schwung gegeben hatte. Unter ihren Füßen hatte sich keine Gummiunterlage befunden, denn sie war aus eigener Kraft dermaßen in die Höhe geschnellt, und noch im Sprung warf sich Lorna nach vorn.
    Sie flog auf mich zu.
    Es war ein Bild, das mich erstarren ließ. Mir kam es vor, als wäre mein Zeigefinger mit dem Abzug verschmolzen. Ich wollte schießen, ich musste eigentlich schießen, doch ich konnte es nicht. Etwas hielt mich in seinen Klauen, etwas hatte mich gelähmt, und ich kam nicht vom Fleck. Urplötzlich, auf einmal, ich war nicht in der Lage, auch nur einen Schritt zu gehen.
    Sie fiel.
    Sie lachte.
    Und plötzlich verwandelte sich Lornas Fall auf halber Höhe in einen langsamen Flug. Dabei spreizte sie die Arme, um wieder dieses engelhafte Aussehen zu bekommen.
    Abdrücken – abdrücken! Nur einfach den Zeigefinger bewegen. Es ist doch so simpel. Es gibt nichts Leichteres als das. Es ist alles so wunderbar. Ich brauchte wirklich nichts mehr zu tun, dann war diese Person tot.
    Und doch konnte ich es nicht.
    Lachend wie ein Clown landete die Leichen-Lady dicht vor meinen Füßen. Sie spitzte die Lippen, ihre Augen funkelten, sie breitete die Arme aus, tänzelte wieder und strahlte mich an, als hätte ich einen Hauptpreis gewonnen. »Hier bin ich, Sinclair, hier bin ich… du hast mich doch gewollt …«
    Ich wollte nicht mit ihr sprechen und wollte ihr gleichzeitig widersprechen. Es war einfach verrückt. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Das Fleisch war willig, doch der Geist war schwach. Ich kam einfach nicht mehr mit den Dingen zurecht. Vor mir lief eine Maskerade ab, die ich nicht begriff. Tragödie und Komödie zugleich, eingepackt in ein völliges Durcheinander, bestehend aus einem Netz tödlicher Magie, in dem ich gefangen war.
    In der rechten Hand hielt Lorna das Messer, die linke aber streckte sie vor. Die Finger gerieten in die Nähe meines Gesichts, drangen noch weiter auf mich zu, und ich konnte sehen, dass ihre Nägel dunkel waren und spüren, dass sie lang waren wie kleine Messerspitzen, als sie unter meinem Kinn herschabten. »Hallo… John …«, sie tat, als hätte sie mich nach langer Zeit wieder gesehen. »Ich finde es gut, dass wir beieinander sind. Eigentlich bist du ein schöner Mann. Ich hätte mich sogar in dich verlieben können, John, glaub mir. Aber die Zeiten sind vorbei. Wir hätten uns woanders und nicht gerade hier treffen sollen.« Lorna legte
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