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0813 - Warten auf den Todesstoß

0813 - Warten auf den Todesstoß

Titel: 0813 - Warten auf den Todesstoß
Autoren: Jason Dark
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Höllenfeuers.
    Die Unterlippe schob sie vor, als wollte sie im nächsten Moment einen Kirschkern ausspeien. »Ja, es stimmt, ich bin hier auf dem Bahnhof geblieben. Der Teufel sollte mich holen. Man hat mich gut vorbereitet auf ihn. Ich habe all die Schwarzen Messen erlebt, die hier gefeiert wurden. Dekadente Menschen, die vor Langeweile beinahe umkamen, die nicht wussten, wie sie sich ihre Zeit vertreiben sollten und die letztendlich auf den Teufel und sein Reich gekommen waren. Sie wollten vieles von ihm, vor allen Dingen Abwechslung, aber sie mussten auch ein Opfer bringen, das war ich.«
    »Du hast bei mir ein gutes Leben gehabt, Kind.«
    »Ich weiß, Tante Giselle, ein sehr gutes sogar. Ich habe die besten Schulen durchlaufen, ich war immer unter Kontrolle, nur durfte ich nie so aufwachsen wie andere Kinder. Ich blieb bei euch, ihr habt mich geprägt.«
    »Nur für ihn. Du solltest in seinem Sinne leben.«
    »Jetzt lebe ich auch!«, flüsterte sie.
    »Dann hat er unser Opfer angenommen!«
    Lorna akzeptierte diese Antwort nicht. »Nein, Tante, nicht er, auf keinen Fall! Er ist etwas anderes, damit meine ich meinen ER.«
    »Wieso?«
    »Er rettete mich.«
    »Woher?«
    »Erinnerst du dich nicht, Tante? Ihr habt mich nicht nur hier auf dem Bahnsteig gelassen, ihr habt mich sogar eingesperrt. Ich sollte nicht mehr wegkönnen, und erst der Teufel sollte mich holen. So war es vorgesehen. Damit ihr auch ganz sicher sein konntet, habt ihr mich in den Kamin gestopft…«
    Giselle Smith-Prange lachte falsch. »Daran erinnerst du dich noch, mein Kind?«
    »Sogar sehr gut.«
    »Es musste so sein.«
    »Nicht für mich, Tante, nicht für mich. Es war eine verdammte Zeit, die ich dort verbrachte. Ich konnte mich nicht befreien, ich klemmte fest, ich konnte mich nicht einmal bewegen. Ich sah Tage und Nächte kommen und gehen. Weißt du eigentlich, wie es ist, wenn ein Mensch weiß, dass er sterben muss?«
    »Nein…«
    »Ich will es dir sagen, Tante. Da zählt die Zeit nicht nur doppelt, sondern drei- und mehrfach. Da dehnt sich jede Sekunde, jede Minute wird zur Qual, die Stunden und Tage werden zu einer schrecklichen Folter. Man spürt, dass man ein Mensch ist, und man spürt auch, was ein Mensch alles aushalten muss und kann. Den Hunger, den Durst, der dich in den Wahnsinn treibt. Ich hätte mich selbst angefressen, wenn es möglich gewesen wäre, aber ich steckte fest. Der Kamin ist schmal, ich konnte weder vor noch zurück, nicht nach oben und nicht nach unten. Ich war ein Nichts, ich war ein Mensch, der allmählich verfaulte, der laut geschrien hat, vergeblich. Aber darin kam er. Er hat mich gehört, Tante.«
    »Nicht der Teufel?«
    »Nein, kein Asmodis, sondern ein anderer. Auch ein Dämon, auch sehr mächtig. Einer, der auf der Suche war, weil er sich ein Imperium aufbauen wollte. Er hat meine lauten und stummen Schreie gehört. Er wollte mich nicht dem Teufel überlassen, und deshalb hat er mich befreit.«
    Die Worte hatten Giselle Smith-Prange überrascht und auch nervös gemacht. Sie scharrte unruhig mit dem rechten Fuß und grübelte über eine Frage nach. »Wer hat so etwas geschafft? Wer ist so mächtig, dass er dem Teufel trotzt?«
    »Mein Retter!«
    »Hat er auch einen Namen?«
    Diesmal gab ich die Antwort. »Massago heißt er!«
    Beide Frauen hatten damit nicht gerechnet. Die Gräfin reagierte kaum, zudem ließ die Klinge es nicht zu, aber Lorna Löhndorf bewegte ihren Kopf und schaute in meine Richtung. »Du kennst ihn?«
    »Ja. Der schwarze Engel mit den tödlichen Augen. Ein bösartiger Dämon, der immer auf der Suche ist.«
    »Das stimmt. Mich hat er gefunden.«
    »Und dir das Leben geschenkt.«
    »Er nahm mich mit. Ich geriet mit ihm zusammen in die graue Welt der Geister. Hier war er der Herr, hier thronte er als Todesengel, und in dieser Welt machte er mich zu seiner Dienerin. Er hat mir versprochen, dass sich meine Rache erfüllen würde, aber es würden viele Jahre vergehen, denn der Teufel sollte nicht misstrauisch werden. Er musste erst vergessen, dass ihm ein Opfer entrissen worden war, und das hat er wohl jetzt. Nun ist es wie früher, aber diesmal bin ich am Drücker. Ich habe weitergelebt, ohne zu altern, die Gräfin ist zu einem Wrack geworden. Neben mir wirkte sie wie eine blutleere Mumie, ohne Saft und ohne Kraft. Würde ich sie nicht kennen, hätte sie mir direkt Leid tun können, doch ich kenne sie besser, deshalb tut sie mir nicht Leid. Dies ist die Stunde der Abrechnung, Sinclair. Sie wird
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