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0799 - Gefangen in Choquai

0799 - Gefangen in Choquai

Titel: 0799 - Gefangen in Choquai
Autoren: Andreas Balzer
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gewisses Gefühl für Rücksichtnahme nicht absprechen. Obwohl die Jagdtage für ganz Choquai bedeutende Festtage waren, hatte niemand von Tsa Mo Ra verlangt, dort zu erscheinen oder gar an der Jagd teilzunehmen. Niemand nahm es ihm übel, wenn er es vorzog, den Tag in der Bibliothek über seinen geliebten Büchern zu verbringen.
    »Hattest du jemals Mitleid mit einem dieser Wesen?«, fragte Tsa Mo Ra unvermittelt.
    »Mitleid?« ShaoYu lachte laut auf, so absurd erschien ihr diese Frage. »Wie kommst du denn darauf? Hat der Wolf Mitleid mit dem Lamm, das er verschlingt? Oder der Adler mit der Taube? Es sind doch nur - Menschen. Sie sind dazu da, um von uns gejagt zu werden. Das ist ihr eigentlicher Lebenszweck.«
    Tsa Mo Ra drehte sich um und sah seine Gefährtin fest an. Sie kam ihm plötzlich unendlich fremd vor. »Ich bin auch ein Mensch.«
    »Das ist doch etwas ganz anderes!«
    »Ist es das?«
    »Natürlich, Dummerchen. Oder hätte eine von diesen armseligen Kreaturen es je zu einem der mächtigsten Zauberer von Choquai gebracht? Du bist nicht wie sie!«
    »Was bin ich dann für euch, Yu? Ein besonders gelehriges Äffchen?«
    ShaoYu bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, und Tsa Mo Ra entging nicht der leise Zorn, der sich nun in ihre Stimme mischte. »Du bist der Mann, den ich liebe, und es ist mir egal, wer oder was du bist. Aber manchmal verstehe ich dich einfach nicht. Manchmal - weiß ich wirklich nicht, wer du eigentlich bist! Und das macht mir Angst.«
    Wortlos wandte Tsa Mo Ra sich ab und starrte wieder aus dem Fenster. Draußen waren die Käfigwagen längst verschwunden. Höchstens zwölf Stunden blieben den Gefangenen noch, dann würden sie in den Park getrieben - wo hunderte blutgieriger Vampire bereits auf sie warteten!
    Und er fragte sich, was der Mensch, der er einst gewesen war, denken würde, wenn er ihn hier sähe, als einer der angesehensten Männer eines Reiches, in dem Wesen wie er gejagt und getötet wurden.
    ***
    Los Angeles
    Chin-Li hörte das Pfeifen des Windes. Sie spürte, wie die Schwerkraft nach ihr griff und sie dem Boden entgegen riss.
    Und sie fühlte sich frei!
    Ein wildes Lachen entwich ihrer Kehle, als sie im freien Fall zu Boden stürzte. Dann war der Moment des Rausches vorüber, und kalte Professionalität trat an seine Stelle.
    Das Dach des Firmengebäudes füllte schon fast ihr gesamtes Gesichtsfeld aus. Direkt unter ihr befand sich eine prächtige Glaskuppel, und genau die war ihr Ziel.
    Patrick Lau war als Kind armer Einwanderer aufgewachsen, mit sechs Geschwistern hatte er sich ein winziges Zimmer teilen müssen. Umso mehr hatte er als erfolgreicher Geschäftsmann Wert auf ein repräsentatives Auftreten gelegt. Er trug teure Anzüge, fuhr luxuriöse Autos und hatte auch bei seiner Firmenzentrale nicht gespart. Besonders stolz war er auf die verschwenderisch gestaltete Eingangshalle, die sich durch alle zehn Stockwerke zog. Nutzloser Raum, der nur einem Zweck diente - zu zeigen, dass man ihn hatte.
    Um die Eingangshalle verliefen Galerien, die zu den Büroräumen in den jeweiligen Etagen führten. Gekrönt wurde dieses imposante Atrium von einer eleganten Glaskuppel. Chin-Li hatte die Stärke nie überprüft, aber sie wusste eins: Sie würde einem Blasterschuss nicht standhalten.
    Während sie über sich hörte, wie Nicole und Gryf ihre Fallschirme auslösten, zog Chin-Li die Laserwaffe, richtete sie auf die Kuppel und feuerte. Ein blassroter Strahl zerschnitt die Nacht. Den Bruchteil einer Sekunde lang schien das Glas dem Dauerfeuer Stand zu halten. Dann zersprang es mit einem lauten Knall in tausend Scherben, die in einem tödlichen Regen zu Boden prasselten.
    Keine Sekunde zu früh, denn Chin-Li hatte die Kuppel schon fast erreicht.
    Der erste Teil des Plans hatte funktioniert. Sie hatte einen Weg ins Gebäude gefunden - jetzt musste sie nur noch den Sturz überleben.
    Schnell stopfte die Chinesin den Blaster in den Hosenbund und riss das Seil vom Gürtel. In atemberaubender Geschwindigkeit rasten die obersten Galerien an ihr vorbei. Dann schleuderte Chin-Li den Bumerang. Viel Zeit zum Zielen hatte sie nicht - und einen zweiten Versuch würde es nicht geben.
    Der Bumerang wickelte sich im sechsten Stock um eines der Metallgeländer. Chin-Li spürte den Ruck, als das Seil ihren Fall stoppte. Während sie mit fast unverminderter Geschwindigkeit auf die Galerien zu schwang, sah sie über sich, wie Nicole und Gryf an den Fallschirmen ins Gebäude schwebten.
    Und sie sah
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