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079 - Die Insel der wandelnden Toten

079 - Die Insel der wandelnden Toten

Titel: 079 - Die Insel der wandelnden Toten
Autoren: Paul Wolf
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einer Petroleumlampe. Die Stollen, durch die sie kamen, waren winkelig, manchmal breiter, dann wieder eng. Eine Strecke lang waren Wände und Decke aus Stein, dann bestanden sie wieder aus Erde und wurden von dicken, aber morschen Holzbalken gestützt. Es ging immer bergab. Die links und rechts abzweigenden Seitengänge ignorierte Valiora. Sie legten Kilometer um Kilometer zurück und sprachen kaum. Dorian hätte viele Fragen an das geheimnisvolle Mädchen gehabt, aber er stellte sie nicht. Er wartete darauf, daß sie von selbst sprach, daß sie ihm die Antworten gab, die er haben wollte. Doch das Mädchen gab sie ihm nicht.
    Nur in einem Punkt verschaffte sie ihm Klarheit.
    „Ihr wundert euch sicherlich, wie ich zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle sein konnte“, sagte sie, ohne sich umzudrehen. „Ich dachte schon, daß ich zu spät kommen würde. Als ich entdeckte, daß euch die Greise – alles Opfer der Gorgonen – den beiden Weibsteufeln auszuliefern gedachten, da wollte ich mich sofort auf den Weg machen, aber ich hatte nicht gleich Gelegenheit dazu. Er hielt mich auf, und ich mußte warten, bis er seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwandte. Im Augenblick ist er sehr beschäftigt.“
    Dorian wußte, daß sie mit‚ er ’ Asmodi meinte, aber sie verriet nicht, auf welche Weise sie das Treiben der Greise beobachten konnte, noch, warum sie ihnen helfen wollte.
    Insgesamt waren sie etwa eine Stunde unterwegs gewesen, als sie endlich ins Freie kamen. Es war bereits Morgen. Die Sonne tauchte aus dem Meer auf, als sie zwischen Sträuchern den unterirdischen Gang verließen. Sie befanden sich im Atrium eines modernen einstöckigen Hauses.
    „Hier wohne ich“, sagte Valiora. Und: „Ihr seid sicher hungrig. Ich bin zwar keine besonders gute Köchin, aber für Schinken mit Ei reichen meine Künste.“
    Sie redete und benahm sich so wie es jedes andere Mädchen ihres Alters getan hätte. Nichts erinnerte daran, daß sie ein Dämon war – oder eine von einem Dämon Besessene. Dorian fragte sich unwillkürlich, ob sie mit diesem Mädchen identisch war, das Seeleute zur Teufelsinsel lockte und sie dann durch Berührung in Untote verwandelte. Wenn man sie so ansah, konnte man das nicht glauben.
    Dorian erinnerte sich auch an Olivaros Rat, der gesagt hatte, er solle Valiora sofort töten. Nun, Gelegenheit dazu hatte der Dämonenkiller genug gehabt, aber er brachte es einfach nicht über sich, sie meuchlings zu töten. Er wäre sich wie ein gemeiner, feiger Mörder vorgekommen.
    Er hatte bisher noch nie irgendwelche Hemmungen verspürt, einen Dämon auszuschalten, aber das hier war etwas anderes.
    Valiora geleitete sie in einen modern eingerichteten Wohnraum und verschwand selbst in der Küche.
    „Was meinen Sie, Hunter, können wir ihr trauen?“ fragte Gianni sofort. „Warum sollte sie uns jetzt verraten, nachdem sie uns gerade das Leben gerettet hat?“ erwiderte Dorian. „Ich glaube, daß wir für den Augenblick hier in Sicherheit sind.“
    Sie sahen sich um. Die Einrichtung unterschied sich durch nichts von der Einrichtung anderer Häuser, in denen Menschen lebten. Und Valiora – war sie etwa kein Mensch? Doch. Sie war ein ganz normales Mädchen. Aber sie hatte ein furchtbares Geheimnis. Und das mußte Dorian erst ergründen, bevor er sich über sie klarwerden konnte.
    „Ein Fernrohr!“ rief Gianni beim Rundgang durch die Wohnung begeistert aus.
    Dorian kam zu ihm auf die Terrasse, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf die Bucht mit dem Hafen und die Stadt hatte. Zwischen den Prunkbauten, die sich vom Strand den Hügel hinaufzogen, waren prachtvolle Grünanlagen, durch die sich Straßen wanden. Menschen trieben sich darauf herum, und ein paar Autos waren zu sehen, die in gemächlichem Tempo die Straßen entlangfuhren. Nichts deutete darauf hin, daß dies ein Nest der Dämonen war. Es hätte sich auch um eine Stadt an der Cote d’Azur, der italienischen Riviera oder an der Küste Siziliens handeln können. Im Hafen lagen über ein Dutzend Luxusjachten vor Anker. Etwas weiter draußen schwamm ein Hochseefrachter, der wahrscheinlich zu Chalkiris’ Handelsflotte gehörte. Und noch weiter draußen, fast schon auf dem offenen Meer, kreuzten zwei Schnellboote.
    Auf den ersten Blick konnte man nichts Verdächtiges erkennen. Aber wenn man die Szene durch das Fernrohr betrachtete, merkte man die feinen Unterschiede zu anderen Küstenstädtchen.
    „Das ist tatsächlich eine Festung“, stellte Gianni
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