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079 - Die Insel der wandelnden Toten

079 - Die Insel der wandelnden Toten

Titel: 079 - Die Insel der wandelnden Toten
Autoren: Paul Wolf
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Sterblicher geschaut.
    Für Dorian stand fest, daß Stheno und Euryale ihn bereits in ihren Bann geschlagen hatten. Dorian besaß noch seinen eigenen Willen, und es wäre ihm möglich gewesen, sich in Sicherheit zu bringen. Doch wollte er Gianni nicht allein zurücklassen. Er hätte sich sonst an seinem Schicksal mitschuldig gemacht. Und der Dämonenkiller hatte es noch nie zugelassen, daß Dämonen in seiner Gegenwart über ein Opfer herfielen.
    Er erinnerte sich, in einem der Tornister ein Buschmesser gesehen zu haben, und durchwühlte die Rucksäcke, bis er das Buschmesser zu fassen bekam. Als er sich damit umdrehte, erschienen in dem Gewölbe zwei überirdisch schöne Frauen.
     

     
    Ihr Anblick raubte ihm den Atem. Es wäre leicht gewesen, alles zu vergessen und sich ihrer Verzauberung hinzugeben. Aber der Dämonenkiller rief sich die Männer in Erinnerung, die in den Armen dieser Frauen zu Greisen geworden waren. Sie waren nur noch menschliche Wracks, deren Lebens-licht bald für immer erlöschen würde. Kannibalen, die nicht einmal davor zurückschreckten, das Fleisch ihrer Freunde zu verzehren.
    Und der Dämonenkiller rief sich den Vers in Erinnerung: Kommt Stheno und Euryale Dir entgegen …
    Dorian hatte die beiden sofort mit den Gorgonen aus der griechischen Mythologie assoziiert, doch er hatte am Anfang nicht gewußt, daß die Übereinstimmung so exakt war.
    Wachsen Schlangen aus wildem Wein …
    Die Weibsteufel hatten ihre Haare zu turmartigen Gebilden frisiert, die von Gebinden aus wildem Wein zusammengehalten wurden. Zwischen den Weinranken begannen sich nun die Haare zu schlängeln. Sie bekamen ein eigenes Leben. Statt der Haarpracht zierte das Haupt der Gorgonen plötzlich eine vielköpfige Schlangenbrut. Die starren Augen bannten ihre Opfer mit hypnotischen Blicken, machten sie willenlos und sich gefügig. Die gespaltenen Zungen zuckten aus den Reptilienmäulern.
    Und Deine Jugend ist gegangen …
    Eine Umarmung dieser überirdischen Frauen mußte sich jeder Mann erträumen. Allein der Gedanke daran brachte unbeschreibliche Wonnen. Diese zarten Hände liebkosend auf der Haut zu spüren, den festen, warmen Körper an sich zu drücken und sich an den sinnlichen Lippen festzusaugen – das war der Traum des Lebens. Aber es war ein Traum, der das Leben kostete. Wenn die Umarmung vorüber war, dann war aus den Lippen des Opfers die Lebenskraft herausgezogen. Zurück blieb eine fast leere Hülle, zerknittert, ausgedorrt. Zurück blieb ein Greis.
    Lohnte sich das für einen kurzen Augenblick? War dieses höchste Glück, das ein Mann je erfahren konnte, jedoch nur einen Atemzug lang dauerte, so lange eben, wie Stheno und Euryale brauchten, um das Leben aus, ihrem Opfer zu saugen – war die Erfahrung dieses Glücks den Preis wert?
    Nein!
    „Gianni!“
    Der Dämonenkiller rief den Namen des Mafioso, um ihn aus der Lethargie zu reißen. Das Echo hallte eindringlich zurück, nur Gianni hörte ihn nicht.
    Und Stheno – oder Euryale? – kam näher. Gianni war bereit, den geforderten Preis für einen einzigen Höhepunkt zu bezahlen. Er vibrierte förmlich vor Spannung. Die Energien stauten sich in seinem Körper, um sich in einem einzigen Augenblick zu entladen.
    Und Euryale – oder Stheno? – kam näher.
    Der Dämonenkiller erwartete sie mit erhobenem Buschmesser. Er hatte die Augen halb geschlossen und blickte durch den Weibsteufel hindurch. Er hoffte, daß es so aussah, als würden die starren Blicke aus den hin und her pendelnden Schlangenköpfen ihn hypnotisieren.
    Und der Weibsteufel kam näher. Die personifizierte Verheißung, die Inkarnation der Leidenschaft.
    Alles Blendwerk, dachte Dorian. Denn hinter diesem Trugbild lauerte der Tod.
    Jetzt war sie auf Reichweite heran. Stheno oder Euryale? Egal. Der Dämonenkiller holte aus. Sein Schrei hallte durch das Gewölbe und zerriß die letzten Schleier der Illusion. Die Trugbilder zerrannen, zurückblieb die nackte Bedrohung durch die züngelnden Schlangen.
    Dorian ließ das rasierklingenscharfe Buschmesser durch die Luft sausen. Hinter diesem Schlag steckte Kraft. Und die Schlangenköpfe fielen.
    Dorian sprang zurück, als die vom Haupt abgetrennten Schlangen über den Boden auf ihn zukrochen. Er zertrat eine Schlange, die zu nahe gekommen war, und wandte sich dann Gianni zu.
    Die Gorgone hatte ihn fast erreicht. Als sie den Dämonenkiller auf sich zukommen sah, duckte sie sich unter dem ersten Streich hindurch. Doch Dorian ließ das
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