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079 - Die Insel der wandelnden Toten

079 - Die Insel der wandelnden Toten

Titel: 079 - Die Insel der wandelnden Toten
Autoren: Paul Wolf
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einen Mädchentransport abfing.
    Was Alfredo dann aber zu sehen bekam, übertraf seine schrecklichsten Erwartungen.
    „Mama mia!“ entfuhr es ihm, als das unheimliche Wesen hinter den Deckaufbauten auftauchte.
    „Helft – uns!“ sagte der Unheimliche krächzend und stockend. Dann torkelte er gegen die Reling.
    Umberto wollte neuerlich auf die Jacht hinüberspringen, doch diesmal war es der Verstümmelte selbst, der ihn davon abhielt.
    „Nein!“ rief er abwehrend, und hob den Kopf.
    Alfredo konnte jetzt deutlich in sein Gesicht sehen. Der Anblick krampfte ihm die Eingeweide zusammen.
    Was er vor sich sah, mußte einmal ein Mann gewesen sein.
    „Kommt mir nicht zu nahe“, wimmerte es. „Sonst – ergeht es euch ebenso. Obwohl ich bei lebendigem Leibe verfaule, kann ich noch denken. Die anderen – meine drei Freunde – sind viel schlimmer dran.“
    Umberto hatte sich als erster von seinem Schrecken erholt.
    „Sollen wir Don Chiusa benachrichtigen?“ fragte er.
    Der Mann mit dem verwesenden Körper nickte.
    „Du mußt ihm alles sagen, Umberto.“
    „Wieso kennst du meinen Namen?“ fragte Umberto verblüfft.
    Der andere gab ein Krächzen von sich, das wohl ein Lachen sein sollte.
    „Ich kenne dich, weil ich dein Freund bin. Du erkennst mich wohl nicht mehr? Na, viel ist von mir auch nicht mehr übriggeblieben, und der Rest wird nach und nach verfaulen.“
    Umberto verzog das Gesicht und fragte zögernd: „Marco?“
    „Ja, ich bin Marco. Ich …“
    „Was ist geschehen? Wer hat dir das angetan? Sage es mir! Ich schwöre dir, dich zu rächen, Marco.“
    Marco machte eine fahrige Handbewegung, und die Kuppe seines kleinen Fingers fiel ab.
    „Du hilfst mir und dem Don – und allen anderen, wenn – wenn du den Don warnst. Niemand soll der Teufelsinsel zu nahe kommen.“
    „Wart ihr dort?“
    Marco nickte.
    „Wir wollten daran vorbeifahren“, berichtete der Verwesende. „Aber dann tauchte das nackte Mädchen auf. Es hat uns verhext. Sie tänzelte leichtfüßig über die Wellen, und wir mußten ihr folgen. Ihr werdet mich für verrückt halten, aber erzählt Don Chiusa alles so, wie ihr es von mir hört. Das Mädchen lockte uns zur Insel. Dort …“
    Marco bäumte sich wie ein nach Luft schnappender Fisch auf. Er taumelte zurück, machte mit den Händen rudernde Bewegungen und kreischte markerschütternd.
    Umberto umklammerte mit beiden Händen die Seile. Seine Knöchel traten weiß hervor. Es schmerzte ihn, seinem Freund nicht helfen zu können.
    „Die Sonne! Ich ersticke!“
    Das waren Marcos letzte Worte. In diesem Moment traf ihn der erste Strahl der aufgehenden Sonne. Er erstarrte mitten in der Bewegung. Die Hände über den Kopf erhoben und abwehrend von sich gestreckt, gleichsam zu Stein erstarrt, so stand er einige Sekunden lang da. Dann kippte er zur Seite. „Wir werden das Schiff ins Schlepptau nehmen“, sagte Umberto.
    Sein Vater, der immer noch unter dem Eindruck dieses entsetzlichen Erlebnisses stand, nickte nur, kniete mit ausdruckslosem Gesicht nieder, bekreuzigte sich und betete.
    Neben ihm beugte sich sein jüngerer Sohn über die Bordwand und übergab sich.
    Nur Umberto hatte seine Fassung bewahrt. Er sprang auf die Jacht hinüber, um die Ankerkette zu holen und am Heck ihres Kutters zu vertäuen. Als er einen Blick in die Kajüte warf, sah er darin drei weitere menschliche Gestalten. Sie waren noch übler zugerichtet als Marco. Auch sie schienen zu Steinstatuen erstarrt zu sein.
     

     
    Der Mann mit der abgesägten Schrotflinte saß lässig auf der Mauer der Einfahrt und ließ die Füße herunterbaumeln. Die wachsamen Augen waren auf die staubige Straße gerichtet, die sich in Serpentinen ins Tal hinunter wand und auf der anderen Seite des Flusses in die Staatsstraße 115 mündete. An dieser Straße lag Mazara del Vallo.
    Der Mann schien zu dösen, obwohl er die Augen geöffnet hatte. Sein Körper war zusammengesunken, die Hände hielten locker die Schrotflinte. Auf seinem tiefgebräunten Gesicht war kein einziger Schweißtropfen zu sehen, obwohl die Junisonne heiß vom Himmel brannte.
    Der Mann saß stocksteif da, nur der Grashalm zwischen seinen Zähnen wippte unaufhörlich auf und ab. Einmal drehte er sich um, als hinter ihm helles Mädchenlachen ertönte. Er grinste, als er zwischen Zwergpalmen, Agaven und Oputien einen gebräunten Mädchenkörper erblickte. Das Mädchen hatte nichts an. Es winkte ihm, wippte aufreizend mit den kleinen Brüsten und tänzelte dann
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