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077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir
Autoren: Peter Randa
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Colombes entfernt, auch nicht weit von meiner Klinik. Und Fauchard sucht mich, nach dem Gespräch mit dem Portier müßte er die Gegend durchkämmen!
    Wie lange ist er bereits hier in dieser Falle? Wie lange ist es her, seit Leggatt die Tür verschlossen hat? Einige Minuten oder eine Ewigkeit?
    Ohne den Revolver wegzustecken, zündet er ein weiteres Zündholz an. Die Eingangstür ist tatsächlich rechts von ihm, und er steht genau vor der Treppe, die nach oben führt.
    „Jeannine!“ ruft er. „Jeannine!“
    Irgendwo muß eine Tür geöffnet worden sein, denn ein Pesthauch fegt plötzlich über ihn hinweg. Und es ist nicht mehr der unangenehme, einfache Verwesungsgeruch, den er bei seinem Eintreten verspürt hat; diesmal ist es weitaus ärger, es ist wie eine Wand aus verwesenden Leichen, die ihn überfällt.
    „Juliette!“
    Wieder ein Zündholz. Die Türen sind alle geschlossen. Der Gestank scheint von oben zu kommen.
    Morestier holt tief Atem und läuft die Treppe hinauf, so schnell er in der Finsternis kann. Im Korridor des ersten Stocks ist es nicht mehr so dunkel wie unten in der Halle, er kann sogar das Fenster erkennen, von dem Jeannine gesprochen hat. Er läuft hin und ist entschlossen, es einzuschlagen, wenn es sich nicht öffnen läßt. Ein ganz normales Fenster, das leicht zu öffnen ist, stellt er erleichtert fest.
    Gierig atmet er die kühle reine Nachtluft ein. Draußen fallen die Regentropfen mit einem monotonen Geräusch auf den Kiesweg, der um das Haus läuft, und er hat das Gefühl, wieder mit der realen Welt Kontakt aufzunehmen.
    „Fauchard!“ schreit er in die Nacht hinaus.
    Es ist ein hoffnungsloser Schrei, der nicht über die Bäume hinausreichen kann, deren Silhouetten er undeutlich in dem dichten Regen sieht.
    Plötzlich fällt ihm ein, daß er dem Monster ausgeliefert ist, wenn er dem Korridor den Rücken zukehrt. Also wendet er sich um. Ein Windstoß fegt durch den Korridor, und das ganze Haus scheint zu beben.
    Morestier erinnert sich an Jeannines Erzählung; sie muß in dem Zimmer zu seiner Rechten gefangen gewesen sein. Ihm gegenüber ist eine weitere Tür. Wohin soll er gehen? Wo kann er Jeannine finden?
    „Jeannine!“ Seine Stimme hallt laut durch das Haus.
    Wieder und wieder ruft er ihren Namen.
    Plötzlich hört er ein Geräusch, ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Er horcht mit angespannten Sinnen, und da ist das Geräusch wieder: ein Lachen wie aus weiter Entfernung.
    Morestier tritt an die Tür, umspannt mit festem Griff seinen Revolver und öffnet die Tür.
    Die Helligkeit in dem Zimmer blendet ihn fast. Als er wieder die Augen öffnet, sieht er Jeannine und Juliette. Juliette lehnt in den Polstern einer Couch, den Blick starr vor sich gerichtet, bewußtlos. Jeannine sitzt in einem riesigen Lehnstuhl, der etwas erhöht neben dem kleinen Tischchen steht.
    Sie lächelt. „Treten Sie ein, Doktor. Ich habe Sie erwartet. Nehmen Sie Platz.“
    Sie deutet auf einen zweiten Lehnstuhl, der gegenüber von ihrem eigenen steht. Das Zimmer ist luxuriös eingerichtet und angenehm warm, ohne daß Morestier erkennen kann, woher die Wärme stammt.
    Auf dem kostbaren Teppich stehen wenige schwere Möbel.
    „Leggatt hat mich hergebracht“, murmelt Morestier.
    „Ich weiß.“
    „Wo ist er?“
    „Das ist doch egal.“ In Jeannines Stimme liegt eine nie vorher wahrgenommene Autorität.
    Anstatt sich zu setzen, tritt Morestier zu Juliette und untersucht sie kurz. Jeannine sagt nichts, sie sieht nur leicht amüsiert zu. Morestier wendet sich zu ihr.
    „Sie steht unter Drogeneinfluß, nicht wahr?“
    „Ich möchte ihr das Leben retten. Deshalb habe ich Sie rufen lassen.“
    Eine Königin, die eine Audienz gewährt…
    „Sie nehmen sie mit, stellen fest, daß sie verrückt ist und lassen sie einsperren.“
    „Das geht nicht. Das wissen Sie genau.“
    „Wenn Sie es nicht tun, dann muß sie sterben.“
    „Jeannine!“ sagt er eindringlich. „Kommen Sie zu sich! Diese ganze Komödie ist doch einfach lächerlich!“
    „Für Sie … Sie glauben vermutlich, ich habe den Verstand verloren, aber Sie können das nicht verstehen. Sie haben keinen Einblick in all die Geheimnisse, und auch ich bin erst an der Grenze. Der, den Sie Leggatt nennen … er ist bereits auf der anderen Seite, ich aber bin auf einer Stufe zwischen Ihrer Welt und der seinen.“
    Morestier beobachtet sie genau. In ihrem Gesicht zeigt sich nicht die geringste Spur des Wahnsinns. Er versteht nichts mehr; er ist verwirrt und
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