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077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir
Autoren: Peter Randa
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und versucht, stets vor Morgengrauen in seinen Sarg zurückzukehren. Dort muß man ihn aufstöbern und ihm einen Holzpflock ins Herz schlagen.
     
    Dr. K. K.
     
    Bis zum nächsten Mal!
              Ihre VAMPIR-Redaktion

 

     
       
    Zu Gast bei Mr. Vampir
    Vampir Horror Roman Nr.77
    von Peter Randa
     
     
     
     
     

Der Mann, der das Restaurant betritt, ist mager und hat abfallende Schultern. Der graue, billige Stoffmantel sitzt schlecht. Seine Augen blicken wäßrig unter farblosen Wimpern und Brauen hervor. Die Nase ist schmal und gerade, die Lippen sind dünn und blutleer.
    „Guten Tag, Monsieur Leggatt“, sagt der Wirt.
    „Guten Tag.“
    Der Mann legt seinen Mantel und seinen Hut ab. Darunter trägt er einen faltigen Tweedanzug von gutem, wenn auch altmodischem Schnitt. Der Mann und seine Kleidung machen den Eindruck, als hätten sie bereits bessere Zeiten gesehen.
    Er reibt sich die Hände und steuert seinem angestammten Tisch zu, der in einer Ecke des Gastzimmers steht. Sein Platz. Direkt neben dem Eingang zur Küche.
    Er setzt sich und beginnt umständlich seine Serviette auseinanderzufalten. Sie liegt täglich für ihn bereit, in einem dunklen Beinring mit seinen Initialen: A. L. Arthur Leggatt.
    Juliette, die Serviererin, geht an ihm vorbei und schleppt Berge von schmutzigen Tellern in die Küche.
    „Guten Tag, Monsieur Leggatt.“
    „Guten Tag, Juliette.“
    Obwohl Englisch seine Muttersprache ist, spricht er fast ohne Akzent.
    Juliette geht in die Küche.
    „Jeannine! Der alte Trottel ist wieder da!“ Leggatt hört es deutlich.
    „Der alte Trottel.“ So nennt man ihn. Natürlich nur außer Hörweite, das ist klar. Aber wenn er doch einmal dieses Wort aufschnappt, versetzt es ihm einen Schock, und seine mageren Schultern fallen noch etwas weiter nach vorn.
    Und trotzdem, irgendwo in seinem Inneren, flackert ein schwaches Triumphgefühl. Sie alle irren sich. Er weiß den Grund dafür nicht, weil ihn irgendeine geheime Kraft zwingt zu vergessen, aber das Triumphgefühl ist lebendig.
    Er betrachtet seine Hände und die langen, schlanken Finger. Er versucht sich zu erinnern. Schon gestern war er bemüht, die Erinnerung wachzurufen – vergeblich. Er schwankt zu sehr zwischen dem Wunsch, sich zu erinnern und der Angst davor.
    Plötzlich erhellt sich sein Blick. Wie ein Blitz trifft ihn die Erkenntnis, daß die Erinnerung bald schon zurückkommen wird, bald, bald …
    Und das Wissen darum erfüllt ihn mit Vorfreude.
    Jeannine kommt aus der Küche und tritt zu seinem Tisch. „Es gibt Gemüsesuppe heute, Monsieur Leggatt. Sie wird Ihnen gewiß schmecken.“ „Wenn Sie es sagen …“ Er nimmt stets das, was sie ihm empfiehlt, ohne lange zu fragen. „Mit Ihrem Mineralwasser?“ „Nein.“
    Das war nicht er, der gesprochen hat! Das war eine Stimme, die zwar aus seiner Kehle kam, die aber seinem eigenen Gedankengang nicht gefolgt ist. Es sind seine Lippen, seine Kehle, aber es ist nicht er. Aber seine Schultern werden plötzlich aufrechter, gerade, ohne daß es ihm bewußt wird.
    „Nein, heute geben Sie mir eine halbe Flasche Beaujolais. Und ich möchte auch keine Gemüsesuppe, sondern ein Steak. Aber es muß innen noch blutig sein, haben Sie verstanden? Und dazu Pommes frites.“ Jeannine dreht sich um. „Und vorher bringen Sie mir einen trockenen Vermouth.“
    Ja. Er weiß nicht weshalb, aber plötzlich ist alles anders. Was das für ihn bedeutet, darüber ist er sich nicht ganz im klaren. Er weiß nur eines: Das das Blut in seinen fünfundsiebzig Jahre alten Adern plötzlich fließt, als wäre er dreißig.
    Aber er mahnt sich zur Vorsicht. Auch dafür weiß er keinen Grund: er weiß nur, daß niemand Verdacht schöpfen darf, was mit ihm vorgeht. Freude erfüllt ihn. Er wird die ganze Last des Alters ablegen können – er muß nur noch ein wenig warten. Er muß einen gewissen Prozeß durchlaufen, der Stunden dauern kann. Was macht das schon! Es ist soweit!
    In der Küche lacht Jeannine hellauf und ruft Juliette zu: „Stell’ dir vor, der alte Trottel nimmt heute Steak und Beaujolais! Was wohl in ihn gefahren ist?“
    Die beiden wissen nicht, daß er sie hören kann. Plötzlich fährt er hoch. Was erlauben sich die beiden dummen Gören eigentlich? Ihn als alten Trottel zu bezeichnen. Aber dann muß er grinsen. Sollen sie doch…
    Das Äußere ist so oft irreführend.
    Er fühlt ein Prickeln in den Händen. Das Blut zirkuliert schneller, gleich frischem, jungem Blut. Seine Finger
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