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077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir
Autoren: Peter Randa
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Und … so denkt er … Angst und Schmerz müßten sie eigentlich noch schöner machen…
    Juliette wäre vermutlich leichter zu bändigen. Aber Jeannine würde zu zittern beginnen…
    Verwundert fragt er sich, wie er auf diese Gedanken kommt. Offensichtlich ist es nicht nur die körperliche Anziehung … und doch, es ist eine Mischung aus Sinnlichkeit und … und etwas anderem, das er nicht definieren kann. Er möchte sie nicht zu seiner Geliebten machen; er sucht niemals die Gesellschaft von Frauen, er lebt allein. Immer. Aber es ist nicht Schüchternheit, denn … er hat unzählige Frauen besessen, unzählige…
    Die Gewißheit verwirrt ihn und erregt ihn zugleich.
    Und das Seltsamste ist, daß ihn seine Einsamkeit nicht bedrückt. Man könnte sagen, sie ist dazu bestimmt, damit er sich ausruhen kann. Denn von Zeit zu Zeit lebt er sehr intensiv. Und gerade jetzt beginnt er wieder mit dem intensiven Leben. Arthur Leggatt ist nichts als eine Tarnung. In Wirklichkeit ist er ein anderer.
    Ein trockenes Lachen kommt aus seiner Kehle.
    Jeannine tritt an seinen Tisch. „Wünschen Sie noch etwas, Monsieur Leggatt?“
    „Einen Kaffee. Schwarz und sehr stark. Und einen Cognac.“
    Sein Blick gleitet ins Leere. Er besitzt eine dunkle Sonnenbrille. Wo hat er sie gelassen? Ach, ja. In den Seitentaschen seines Wagens … seines Wagens. Denn er hat einen Wagen.
    Wieder ein Lichtstrahl, der in die dunklen Tiefen seiner Erinnerung fällt: Er läßt seinen Wagen stets in einer Garage an der Porte des Lilas. Einen Cadillac älterer Bauart, der aber noch tadellos in Schuß ist. Ein schwarzer Cadillac mit brauner Lederpolsterung. Es riecht nach Zigaretten im Wagen. Er raucht also auch. Ja, gerade jetzt hätte er Lust zu rauchen.
    Nur, Arthur Leggatt hat keinen Wagen, und er raucht auch nicht. Aber Arthur Leggatt ist schließlich nur ein Hampelmann, dessen mieser Kleinkram nichts mehr mit ihm zu tun hat.
    Er blickt sich um. Wie er all diese Leute verachtet – jetzt, in diesem Augenblick verachtet er sie. Gestern noch haben sie ihn nur wenig gestört. Wenn er sie überhaupt bemerkt hat. Aber Jeannine findet Gnade vor seinen Augen. Ja, sie verachtet er nicht. Er haßt sie. Es ist ein sonderbarer Haß, dem die Zärtlichkeit nicht unbedingt fremd ist.
    Er haßt sie ohne besondere Gefühlsregungen. Vielleicht, weil sie ihm gehört. Es gibt eine Unmenge Wesen auf Erden, die ihm gehören. Er weiß im Augenblick nicht, auf welche Art sie ihm gehören, aber das wird sich zeigen. Bald wird er es wissen.
    Jeannine beginnt zu lachen.
    „Riechen Sie das?“
    „Was?“
    „Madame Dupont! Ihr Parfüm ist entsetzlich.“
    „Ihr Parfüm?“
    Er riecht nichts. Aber für ihn hat kein Mensch einen besonderen Geruch, alles, was ihn umgibt, hat denselben Duft – wenn man diese anonyme Eintönigkeit Duft nennen kann.
    Aber das können die armseligen Menschen um ihn herum nicht verstehen, weshalb es ihnen dann erklären, daß alles Menschliche für ihn etwa denselben uniformen Geruch verströmt wie Hunde für den Menschen?
    Er erinnert sich an eine Bemerkung, die Arthur Leggatt im Zusammenhang mit Madame Dupont gern verwendete.
    „Madame Dupont hat kein Gefühl für wahre Eleganz“, sagt er.
    „Das kann man wirklich sagen.“
    Er riecht an seinem Cognac; er hat nicht viel mehr Geruch als alles andere. Wenn man bedenkt, daß er beim Eintreten in das Lokal den gleichen Duft von gebratenem Lammfleisch bemerkt hat, wie jeden Mittwoch!
    „Ich denke, Sie werden mich einige Tage lang nicht sehen, Mademoiselle Jeannine.“
    „Fahren Sie weg?“
    „Ja.“
    „Nach England?“
    „Zu meiner Familie.“
    Er hat keine Familie, aber ein Instinkt gibt ihm ein, daß er das sagen muß. Damit sich niemand über seine Abwesenheit wundert. Denn er weiß, daß er gezwungen sein wird, zu verschwinden.
    Leggatt hat seinen Wagen vor dem Bahnhof von Saint Prix geparkt. Er geht zwischen dem Bahnhof und der Avenue du General Leclerc auf und ab. Er weiß, daß Jeannine aus dieser Richtung in einigen Minuten kommen wird.
    Er zündet sich eine Zigarette an. Seine blassen Augen blicken forschend hinter blau getönten Sonnengläsern. Er hat den Nachmittag damit verbracht, sich selbst wiederzufinden, und es ist alles eigentlich sehr rasch gegangen. Die Verwandlung ist vollendet.
    Von Zeit zu Zeit ruhen seine Fähigkeiten; er könnte sich unmöglich dauernd in diesem Stadium der Nervosität und Spannung befinden; hin und wieder muß er Ruhepausen einschalten.
    Er ist jetzt
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