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0763 - Strigen-Grauen

0763 - Strigen-Grauen

Titel: 0763 - Strigen-Grauen
Autoren: Jason Dark
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da passiert war. Das würde sie erst können, wenn dieser andere Zustand vorüber war.
    Helen wollte etwas tun. Aber was? Sie überlegte verzweifelt. Ins Bad gehen und sich alles aus der Nähe anschauen? Ja, das war es.
    Ein Kinderspiel.
    Ihre Hand lag schon auf der Klinke, als sie begriff. Plötzlich wurde ihr klar, was geschehen war.
    Helen schrie auf. Sie schaffte es nicht mehr, das Bad zu betreten. Statt dessen drehte sie sich auf der Stelle um, wankte los und wußte selbst nicht mehr, wie sie auf das Bett gefallen war, auf dem sie sich schließlich wiederfand.
    Sie lag dort, hörte sich atmen und jammern, spürte den bösen Schmerz an der rechten Wange und wußte, daß sie mit ihrem Blut die teure Bettdecke und auch das Laken verschmierte, was ihr nichts weiter ausmachte. In diesen Augenblicken stand sie haushoch über den Dingen. Das Leben hatte sich radikal verändert.
    Sie hörte die fremden Geräusche und brauchte einige Zeit, um herauszufinden, daß sie es war, die weinte, krächzte und schluchzte.
    Was hatte sie denn getan? Warum gerade sie? Warum hat es mich erwischt? Was bedeutet das alles?
    Die Fragen hämmerten auf sie nieder, quälten sie.
    Angst, heiße Angst durchströmte sie. Als würde ein Messer tief in ihren Körper eindringen.
    Wann sich Helen aufrichtete, hatte sie vergessen. Zeit war für sie ohne Bedeutung geworden. Sie stand nur auf, und sie wunderte sich, daß sie noch gehen konnte.
    Die Angst war von einer ungewöhnlichen Leere abgelöst worden. Sie kannte das Gefühl dieser bedrückenden Einsamkeit, denn sie gehörte zu den Menschen, die dies schon öfter erlebt hatten. Es mochte daran liegen, daß Helen so ziemlich allein auf der Welt stand und weder Verwandte noch Freunde hatte.
    Allein, ohne irgendwelche Ansprechpartner…
    Sie schüttelte den Kopf, fiel beinahe gegen die Badezimmertür und griff mit letzter Kraft nach der Klinke. Sie drückte die Tür auf, dann stolperte sie über die Schwelle, hinein in die Welt aus einem sanften Grün und weichen, beigen Farben. Beige waren die Wand- und Bodenfliesen, ebenso das Waschbecken und die schmalen Schränke, die bis zur Decke reichten. In ihnen hatte sie all die Dinge verstaut, die sie unbedingt brauchte, unter anderem auch Handtücher.
    Ein großer Spiegel, seitlich beleuchtet, nahm beinahe die gesamte Breite der Wand ein.
    Helen hatte zwar das Licht eingeschaltet, aber sie schaute nicht in den Spiegel, denn sie wollte sich nicht selbst sehen. Sie fürchtete sich auch davor.
    Statt dessen holte sie aus dem schmalen Schrank ein Handtuch hervor und faltete es auseinander. Es fiel in ihre offene Hand, und sie preßte es gegen die rechte Wange.
    Dort tobte noch immer der Schmerz. Er hatte sich in das Fleisch hineingebissen. Helen atmete laut und heftig. Erst nach einer Weile traute sie sich eine Drehung zu, so daß sie jetzt vor dem großen Spiegel stand, aber noch immer das Handtuch gegen die Wange gepreßt hielt. Ihren Hals konnte sie erkennen, und sie sah auch den roten Blutstreifen, der bis zur Wange hochreichte. Ihrer Meinung nach mußte sie eine tiefe Wunde haben. Das aber war es nicht gewesen. Es hatte sie keiner mit dem Messer berührt. Vögel haben keine Messer, nur Schnäbel.
    Lang, spitz, oft gekrümmt…
    Wie bei ihr.
    Die rechte Hand sank nach unten und damit auch das Handtuch. Jetzt war der Blick auf ihre Wange frei.
    Helen Kern erstarrte. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah. Die Wange war genau in der Mitte geschwollen. Dort hatte sie der Schnabelhieb erwischt. Sie war dick geworden, beulte sich aus und war gleichzeitig aufgerissen wie eine tiefe Furche, die sich mit einem dicken Blutklumpen gefüllt hatte.
    Helen wußte nicht, was sie denken sollte. Sie wußte sowieso nicht, ob sie überhaupt jemals wieder in der Lage sein würde, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Alles war so anders, so schrecklich und für sie auf keinen Fall faßbar geworden.
    Es war ja nicht nur die Wunde, die sie störte, sondern auch das Umfeld um sie herum. Darum wollte sie sich jetzt nicht kümmern, als sie das Wasser aufdrehte und zuschaute, wie es warm in den Abfluß strömte.
    Die Frau feuchtete das Handtuch an einer Stelle an und begann mit der Reinigung der Wunde. Wenn sie dabei zu nahe an das dunkelrote geschwollene Zentrum herankam, zuckte sie jedesmal zusammen, weil der Schmerz wieder durch die Wange zuckte.
    Aber sie riß sich zusammen. Sie mußte die Wunde reinigen, sie dann mit Alkohol desinfizieren und sich ein Pflaster heraussuchen,
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