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0763 - Strigen-Grauen

0763 - Strigen-Grauen

Titel: 0763 - Strigen-Grauen
Autoren: Jason Dark
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Es war warm im Raum, viel zu warm, und auch feucht. Das lag nicht am Wetter, sondern an ihr selbst, an den Ausdünstungen, die sie umgaben, denn sie hatte geschwitzt.
    Wie lange sie in dieser Position stand und in die Nacht hineinstarrte, konnte sie nicht sagen. Ihr kam es vor wie Stunden, nur stimmte das nicht, denn erst vor Minuten noch hatte sie im Bett gelegen und war aufgesprungen. Voller Angst und Hektik, wie ein Tier, das vor seinem Jäger floh.
    Jetzt stand sie hier und traute sich nicht, das Fenster zu öffnen. Es war ein warmer Tag gewesen, die Nacht war es auch. Trotzdem kam es ihr vor, als läge hinter der Scheibe eine klirrende Kälte, die eine finstere Winterlandschaft erdrückte.
    Langsam hob sie einen Arm und strich das rötlichbraune Haar zurück.
    Diese Angst, diese verdammte Angst vor der Umwelt. Dieser plötzliche Anfall mitten in der Nacht.
    Vor einigen Monaten hatten die Alpträume begonnen. Völlig grundlos, wie aus der Luft herausgeschnitten, und Helen hatte ihr auch keine Bedeutung beigemessen, bis sich diese verfluchten Träume in immer kürzeren Abständen wiederholten und sich dabei zu einem regelrechten Psycho-Terror ausweiteten.
    Es war immer wieder der gleiche Traum. Sie sah den schrecklichen Vogel, der durch die Finsternis der Nacht schnitt, auf sie zuraste, wobei sie nicht einmal erkennen konnte, um welch einen Vogel es sich dabei handelte.
    Jedenfalls um einen großen. Und er hatte bisher noch nie sein Ziel verfehlt, nämlich sie.
    Immer wieder hackte er zu, und jedesmal, wenn er zurückflog, hatte er aus ihrem nackten Körper ein Stück blutendes Fleisch gerissen und war damit verschwunden.
    Beute in der Nacht…
    Auch jetzt lag dieser schreckliche Alptraum wieder hinter ihr. Wie immer war sie davon schreiend und in Schweiß gebadet erwacht, und wie immer war sie aufgestanden und zum Fenster gelaufen, ohne es allerdings zu öffnen.
    Dicht davor hatte sie die Kraft verlassen. Helen konnte sich nur mehr auf der Fensterbank abstützen, das war alles.
    Warum dieser Traum? Warum immer wieder der gleiche Schrecken? Die Frau konnte sich ungefähr ausrechnen, wann sie dieser Alptraum wieder quälen würde.
    War es eine Strafe? Hatte man sie ausgesucht, weil sie mit ihren dreißig Jahren schon eine Karriere hinter sich hatte, von der die meisten nur träumten? Weil sie als Creative-Chefin einer Werbeagentur viel Geld verdiente?
    Das konnte es doch nicht sein, dieser schreckliche Traum mußte andere, tiefere Ursachen haben. Mit einer Schulkollegin, die als Wissenschaftlerin arbeitete, hatte sie einmal über dieses Problem gesprochen, und die Freundin hatte ihr geraten, einen Psychiater aufzusuchen und sich in eine Tiefenhypnose versetzen zu lassen, was ja angeblich helfen sollte und modern war.
    Helen hatte es abgelehnt.
    Sie mochte diese Experimente nicht, und sie war auch nicht in eine dieser modernen Sekten eingetreten, wie es ihre Freundin getan hatte. Das alles lehnte Helen Kern ab.
    Dabei war sie so verdammt allein. Oft so schrecklich einsam, was sie als noch schlimmer empfand als die Alpträume, denn Einsamkeit kam ihr vor wie ein tiefes, schwarzes Faß ohne Boden.
    Sie stand noch immer vor dem Fenster. Sie starrte nach draußen und wußte nicht, weshalb sie das tat, denn dort passierte nichts. Alles war ruhig, sie brauchte keine Furcht zu haben, hinter ihr lag ein Traum und keine Wirklichkeit.
    Die Arme waren ihr steif geworden. Sie schmerzten in Höhe der Ellenbogen. Deshalb veränderte sie ihre Haltung und preßte die Hände gegen die Scheibe.
    Ihr eigenes Spiegelbild sah Helen nur schwach. Es kam ihr vor wie eine Projektion ihrer eigenen Seelenlandschaft, denn alles an ihm wirkte verschwommen und verwischt. Die dunkle Scheibe nahm das Bild auf, um es regelrecht einzusaugen, als wollte sie ihr diese Anblicke ersparen. Sie gab sich selbst gegenüber zu, daß mit ihrem Seelenleben nicht alles in Ordnung war, aber konnte sie das aus eigener Kraft ändern?
    »Nichts kann ich machen«, flüsterte sie. »Erst wenn die Träume verschwunden sind, erst dann…«
    Helen wunderte sich darüber, daß sie hatte sprechen können. Das war ihr nach den letzten Träumen nicht passiert. Sollte diese Tatsache auf eine Besserung hindeuten?
    Kaum, nein, sicherlich nicht. Noch immer nackt, trat sie vom Fenster zurück und ging in die winzige Kammer, die ebenfalls zum Schlafzimmer der Maisonettewohnung gehörte. Helen hatte die Kammer zu einem Kühlraum umgebaut und sich dabei ein sehr hohes Gerät
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