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076 - Der magische Schrumpfkopf

076 - Der magische Schrumpfkopf

Titel: 076 - Der magische Schrumpfkopf
Autoren: Earl Warren
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dachte nach. Er dachte an Emmy, an kuriose Begebenheiten aus seiner Jugendzeit und aus ihrer Ehe.
    Schließlich trank er einen zweiten doppelten Remy Martin, kehrte in sein Schlafzimmer zurück. Es ging schon auf halb fünf Uhr morgens. Lord fühlte sich wie zerschlagen. Er stellte den Wecker auf neun Uhr statt auf sieben und legte sich wieder ins Bett.
    Diesmal schlief er fest und traumlos.
    Um halb zehn Uhr, als Lord gerade am Frühstückstisch saß, kam einer seiner Meister zu ihm. Lord blieb das halbzerkaute Honigbrötchen in der Kehle stecken, als er sah, was der rothaarige dicke Mann da in der Hand hielt.
     

     
    Der Fabrikant, der sonst immer so auf Manieren und Tischsitten bedacht war, mußte so husten, daß seine Augen tränten.
    „Was, zum Teufel, haben Sie denn da, Herr Huber?“ fragte er schließlich den Mann mit dem grauen Kittel.
    „Die Mannlicher-Presse hat repariert werden müssen“, sagte er. „Sie funktionierte nicht mehr. Ein paar Kontakte sind durchgeschmort, und an der Mechanik hatte sich etwas verklemmt. Dabei haben wir das da gefunden.“
    Meister Huber hob etwas hoch. Es war der Schrumpfkopf, unversehrt und ohne eine Schramme.
    Lord starrte den Schrumpf kopf an und konnte es nicht fassen. Das gab es nicht, das konnte es nicht geben. Und doch – seine Augen trogen ihn nicht. Der Schrumpfkopf war zu ihm zurückgekehrt.
    „Was sollen wir mit dem Ding machen?“ fragte Huber.
    „Legen Sie es da hin“, sagte Lord und deutete auf das Schrankbord. „Das muß ein dummer Scherz sein.“
    Huber schaute mißtrauisch.
    „Ja“, sagte er dann. „Muß wohl. Aber wer soll das gemacht haben und welchen Sinn hat das? Versteh ich nicht!“
    Er wandte sich zur Tür.
    „Was wollen Sie denn mit dem Ding machen, Herr Lord?“
    „Ich weiß es noch nicht“, sagte der Fabrikant wahrheitsgemäß. „Es war schon richtig, daß Sie es hergebracht haben, Herr Huber. Aber weiterzuverfolgen brauchen Sie die Sache nicht, wozu auch. Ich sehe Sie dann später.“
    Damit war Hubers Besuch beendet.
    Der Meister ging hinaus. Lord war der Appetit aufs Frühstück vergangen. Er trank noch eine halbe Tasse Kaffee, stand dann auf. Er wickelte den Schrumpfkopf in Zeitungspapier ein, verließ das Haus und ging zu seinem Wagen.
     

     
    Lord lenkte den Wagen aus der Garage heraus, fuhr die Ausfahrt entlang und am Pförtnerhäuschen vorbei. Der Pförtner nickte ihm grüßend zu. Lord fuhr durch das Dorf, durchs Tal den Hügel hinauf und durch den Wald. Er bog nach links ab, wo es zum Fischweiher ging.
    Der Fabrikant hielt, sah sich um. Es war niemand in der Nähe. Der Fischteich lag einsam und abgelegen. Lord stieg aus dem Wagen, nahm den in Zeitungspapier eingewickelten Schrumpfkopf. Er trat auf den hölzernen Steg, holte aus und warf das Päckchen in den See hinaus.
    Es plumpste, das Wasser spritzte auf. Der Schrumpfkopf ging unter wie ein Stein. Konzentrische Kreise breiteten sich übers Wasser aus, verliefen sich zitternd im Schilf.
    Lord atmete befreit auf. Er drehte sich um, ging zu seinem Wagen zurück. Während er bei der Herfahrt gerast war wie ein Verfolger, ließ er sich jetzt Zeit, fuhr gemächlich zum Dorf und zur Fabrik zurück.
     

     
    Den Rest des Morgens verbrachte der Fabrikant mit den üblichen Tätigkeiten. Besprechungen in betrieblichen und geschäftlichen Dingen, Rundgang durch die Fabrik, Begutachtung einer neuen Maschine. Kurz vor zwölf Uhr fuhr Lord zum Rathaus, wo er verschiedene Formalitäten wegen des Todes seiner Frau erledigen mußte.
    Auch hier mußte er wieder das übliche Beileidsgerede über sich ergehen lassen. Er merkte, daß viele befremdet waren, weil er trotz des Todesfalles arbeitete wie immer, die mit dem Tod seiner Frau zusammenhängenden Angelegenheiten fast wie geschäftliche Dinge abwickelte.
    Doch Lord konnte nicht anders. Er konnte sich nicht in seine Trauer verkriechen, im eigenen Schmerz bohren und diesen zum Zentrum seines Lebens machen. Er brauchte Tätigkeit, Ablenkung, Menschen um sich herum, Hektik und auch die Routine des Alltags.
    Tief in seinem Innern verkapselt saß der Schmerz, wartete auf die stillen Stunden der Nacht und der Einsamkeit, um hervorzubrechen und von ihm Besitz zu ergreifen.
     

     

Gegen dreizehn Uhr kehrte Lord in seine Villa zurück, wo Anita Röder, die Mutter seines Betriebsleiters und weitläufige Verwandte seiner verstorbenen Frau, für die nächsten Tage das Reglement übernommen hatte. Anita Röder war eine stämmige, resolute Frau
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