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074 - Der Sohn des Zyklopen

074 - Der Sohn des Zyklopen

Titel: 074 - Der Sohn des Zyklopen
Autoren: Dämonenkiller
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hätten die furchtbare Kälte von ihm fernhalten können. Um wie vieles lieber wäre er in seiner Höhle geblieben, hätte den Winter schlafend verbracht. Gelegentlich, wenn er aufwachte, hätte er ein Tier geschlachtet, um dann wieder für einige Tage oder Wochen in Schlaf zu versinken.
    Er hatte sich auch schon längst für den Winterschlaf eingerichtet. Aber dann war ein Bote gekommen und hatte ihm ein Geschenk mit einer Nachricht gebracht. Das war der Grund, warum er sich auf den Weg ins Baztan-Tal machte. Er bereute diesen Entschluß nicht. O nein! Er hätte es in seinem Winterquartier ohnehin nicht ausgehalten. Die Sehnsucht nach dem Geschöpf, das er nach sich geformt hatte, war stärker als alles andere.
    Er war der letzte seiner Art in den Pyrenäen. Der letzte Torto - zum Aussterben verurteilt.
    Er hatte schon vor Jahrzehnten damit begonnen, seine dämonischen Brüder in der weiten Welt um Unterstützung anzurufen. Doch es schien, daß er ihnen zu minder war. In früheren Jahrhunderten war ein Zyklop ein gleichermaßen geachteter wie gefürchteter Dämon gewesen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Schwarze Familie war gegründet worden, und ihre Mitglieder hatten es in der Schwarzen Magie zur Meisterschaft gebracht. Der gefürchtete Torto, der längst keinerlei magische Fähigkeiten mehr besaß, wurde zu einem Kinderschreck degradiert. In der Schwarzen Familie erinnerte man sich nur selten seiner - und auch nur dann, wenn man etwas von ihm wollte.
    Doch einer seiner Dämonenbrüder, dem er vor vielen, vielen Jahren mal einen Gefallen getan hatte, schien so etwas wie Dankbarkeit zu kennen. Er erhörte Tortos Flehen und unterstützte ihn in seinen Bemühungen, einen Nachkommen zu zeugen.
    Endlich - vor fast fünf Jahren - billigte ihm die Schwarze Familie einen Sohn zu. Torto erschauerte wohlig, wenn er an den Sabbat dachte, bei dem es geschah. Er hatte alle Einzelheiten dieses dämonischen Festes in Erinnerung behalten und durchlebte sie in seinen einsamen Nächten immer wieder.
    Wenn Torto die auserwählte Sterbliche auch nur ein einziges Mal aus der Ferne gesehen hatte, so war er doch überzeugt davon, daß sie würdig war, die Mutter seines Sohnes zu sein. Denn während des Zeugungszeremoniells war er durch Schwarze Magie mit ihrem Geist verschmolzen gewesen. Ein einmaliges Erlebnis! Mit nichts zu vergleichen. Torto wußte aber auch, daß es unwiederholbar für ihn war. Die Schwarze Familie würde kein zweites Mal so großzügig zu ihm sein. Er hatte nicht einmal den Grund erfahren, weshalb man ihm diesen Sohn zubilligte.
    Tirso war sein Sohn! Auch wenn er bei menschlichen Zieheltern lebte.
    Er schrie seine Freude in die Stille der Bergwelt hinaus, daß sich durch den Schall von einem weit entfernten Berghang eine Schneelawine löste und donnernd ins Tal polterte. Torto stürzte sich in seinem Sinnestaumel auf eines der Schafe, tötete es mit einem einzigen Genickbiß und trank das noch warme Blut. Den Wärme spendenden Pelz zog er sich wie eine Kappe über den kahlen Schädel.
    Bald würde er seinen Sohn sehen, dieses kleine, zerbrechliche, zappelnde Dämonenkind, das nach ihm geformt war.
    Tirso hieß sein Sohn. Ein schöner Name, auch wenn er ihn von Sterblichen erhalten hatte. Zum erstenmal würde er seinen Sohn zu Gesicht bekommen. Torto kam nicht mit leeren Händen. Er brachte ein Geschenk mit. Der Bote, der ihn aus seinem Winterschlaf geweckt hatte, übergab es ihm. Torto trug es unter seinem Pelzumhang und drückte es an seinen Körper, so daß er den Widerstand spürte. Aber er preßte es nicht zu fest an sich, denn seine Brüder hatten ihn gewarnt.
    Vorsichtig handhaben, Torto! Der hermetische Kreisel darf nicht in falsche Hände geraten. Durch unsachgemäße Behandlung könnte er dir und deinem Sohn zum Fluch werden.
    Torto lüftete den Pelzumhang und blickte auf das seltsame Ding. Was für ein eigenartiges Spielzeug für einen Zyklopenjungen! Die untere Hälfte bestand aus einer Halbkugel die nach oben hin in eine Pyramide mit vier Seiten überging. Aber noch eigenartiger als die Form waren die unzähligen Zeichen und Symbole, die alle Flächen bedeckten. Die Hülle dieses hermetischen Kreisels wies kaum eine freie Stelle auf. Er wußte, daß es sich um Symbole der Schwarzen Magie handelte, und er erinnerte sich dunkel daran, daß er einmal in grauer Vorzeit mit diesen Zeichen etwas anzufangen gewußt hatte. Doch das Leben in der Einsamkeit hatte seine früheren Kenntnisse in
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