073 - Das Alraunenmädchen
schlecht befestigten Fahrweges entfernt stand. Der Fahrer des altersschwachen Taxis nahm weitere hundert Pesetas von Dorian entgegen, sagte seinem Freund Alirio Bescheid und hatte es sehr eilig, sich davonzumachen.
Alirio war ein hochgewachsener ernster Mann mit der herben Physiognomie eines Menschen, der in einer wenig erschlossenen Gegend geboren und aufgewachsen und es gewohnt war, auf du und du mit der Natur zu leben. Nach einigem Zögern erklärte er sich bereit, Dorian zum Kloster hinauf zuführen.
Auf den Rücken zweier Maultiere traten sie die kurze Reise an. Dorian war froh, ein Regencape in seinem Handgepäck mitgenommen zu haben; das leistete ihm jetzt gute Dienste. Im prasselnden Regen, der sich bald in Hagel verwandelte, zogen sie durch den Wald, eine Steigung hinauf. Alirio ritt vor dem Dämonenkiller und sprach kein Wort. Gebeugt saß er im Sattel. Sein Umhang hatte eine Kapuze, die vorn fast bis über die Augen reichte. Donner grollte, Blitze zerteilten den schwarzen Vorhang der Nacht. Der Waldstreifen endete abrupt, und sie bewegten sich über lehmiges Erdreich auf das Kloster zu.
Roncesvalles lag wie ein gigantischer Klotz vor ihnen am Hang. Die trutzigen Mauern machten eher einen ablehnenden als einladenden Eindruck.
Hart trommelte der Hagel auf ihre Körper. Dorian konnte kaum etwas von der Umgebung erkennen. Das Wasser lief über sein Gesicht und benetzte seine Augen. Selbst die Umrisse des Klosters erschienen verschwommen.
Dorian hatte Alirio nach Peter Plank gefragt, doch der Führer hatte den jungen Mann weder bis nach Roncesvalles hinaufbegleitet noch irgendwo gesehen. Er hatte aber erklärt, daß es auf der anderen Seite des Berges einen Einsiedler gab, der ebenfalls als Führer für Besucher des Klosters fungierte; und falls Plank tatsächlich mit dem Zug in Garayoa eingetroffen war, so hatte er sich zweifellos an jenen Mann gewandt, weil Garayoa sich auf der anderen Seite dieser Erhebung befand.
Dorian hoffte, den jungen Mann mit den brandroten Haaren im Inneren des Klosters anzutreffen. Vielleicht saß er schon bei einem köstlichen Mahl. Dorian hatte während der Reise vernommen, daß die Mönche sich Fremden gegenüber sehr gastfreundlich zeigten und ihnen vorzügliche Gerichte und einen noch exzellenteren Wein vorsetzten, den sie aus selbstgeernteten Trauben kelterten. Möglich also, daß er Peter in bereits leicht angeheitertem Zustand vorfand.
Dachte Dorian Hunter.
Alirio steuerte seinen Vierbeiner auf die linke Seite des Gemäuers hinüber. Erst jetzt erkannte Dorian, daß das gesamte Kloster von einer hohen Mauer umgeben war, deren einzige Unterbrechung in einem mehrfach geschwungenen Mauerbogen bestand, unter dem sich zwei mächtige Torflügel aus kunstvoll geschmiedetem Eisen spannten.
Alirio saß ab und bestätigte einen dicken Strang. Zweifellos schlug in diesem Augenblick im Innern des Klosters eine Glocke an.
Dorian verharrte auf seinem Maultier. Er mußte sein Urteil über den Taxifahrer revidieren. Jener hatte ihn gut beraten, als er Alirio als Führer empfohlen hatte. Auch bei gutem Wetter wäre es nicht leicht gewesen, zu Fuß bis zum Kloster emporzugelangen, denn der Hang war steil; die Maultiere hatten wie Katzen klettern müssen. Und trotz der geringen Entfernung von zwei Kilometern konnte man sich in dem dichten Waldgürtel zwischen der Straße und dem Kloster leicht verlaufen. Kurzum, bei den derzeitigen Witterungsbedingungen wäre es verrückt gewesen, allein den Weg anzutreten. Ein untersetzter Mönch erschien auf dem Vorhof. Ertrug einen einfachen grünen Schirm, der mit Persenning bespannt war - ein Ding, das hierzulande wie auch in gewissen Regionen Italiens sowohl Bauern als auch Jäger und andere Leute auf dem Land benutzten. Der Schirm war breit und konnte drei, vier Leuten vor Regen und Hagel Schutz bieten.
Der Mönch hastete auf sie zu. Seine nackten Füße steckten in Sandalen, die manchmal in Pfützen patschten. Heftig schlug ihm der Saum seiner Kutte um die Beine. Es sah so aus, als würde er jeden Moment stürzen, doch er hielt sich erstaunlich gewandt auf den Beinen.
Alirio rief seinen Namen. Sofort riegelte der Mönch das Tor auf und zog einen Flügel auf. Dorian saß ebenfalls ab.
Ein Donnerschlag, heftig wie eine Explosion, dröhnte und hallte in vielen Echos von den Bergwänden wider. Hagel prasselte klirrend auf die Dachpfannen der Klostergebäude, gegen die Mauern, auf den Vorhof.
Die Männer hasteten in das vorderste Gebäude. Sie
Weitere Kostenlose Bücher