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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin
Autoren: Dämonenkiller
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Hochbetrieb. Der Winter scheuchte die meisten Hippies nach Afrika hinüber oder in andere wärmere Gefilde; aber einige hielten das ganze Jahr hindurch hier aus.
    Malcolm Pratten lebte schon seit zwei Jahren auf Kreta. Er war ein zwei Meter großer, rothaariger Schotte aus Aberdeen. Einmal hatte er Ingenieur werden wollen, doch irgendwann hatte ihn der Ehrgeiz verlassen.
    Er begann, sich nach dem Sinn seines Strebens und des ganzen Lebens zu fragen. Das war das Ende seiner Karriere, bevor sie noch begonnen hatte. Warum Maschinen bauen, wenn die Maschinen dem Menschen nichts als Unglück brachte? fragte er sich. Warum studieren, Karriere machen und Geld verdienen, eine Familie gründen und das alles, wenn es nicht mehr als Frustration und Dumpfheit brachte? Wozu tagaus, tagein schuften und den Streß und den Konkurrenzkampf mitmachen, wenn man entweder mit Herzinfarkt auf der Strecke blieb oder nach Erreichung des Pensionsalters zum alten Eisen geworfen wurde?
    Malcolm Pratten sagte sich, daß der Sinn des Lebens doch in den einfachen Dingen liegen müßte. In einem Sonnenaufgang, im Gesang eines Vogels, im Meditieren in einem schönen Winkel der Natur. Und er fragte sich ernsthaft, ob die Vorfahren des Menschen nicht einen großen Fehler gemacht hatten, als sie von den Bäumen heruntergestiegen waren.
    Jetzt, einunddreißig Jahre alt, hatte er die ganze Welt gesehen, von Afghanistan bis Australien, von Finnland bis zur Südspitze Afrikas, von Rio de Janeiro bis Bombay. Auf Kreta war er hängengeblieben. Er hatte in den Jahren seines Wanderlebens gelernt, auf der Sitar zu spielen und mit wenig zufrieden zu sein. Manchmal half er bei Ausgrabungsarbeiten in und bei Knossos. Er klaute Altertümer, wo es ging, und verramschte sie im Sommer an die Touristen, die in Scharen herkamen, um die Hippiekolonie zu besichtigen.
    Malcolm Pratten mit seinem roten Haar, dem Bart und seinem Schottenrock war ein Original. Wenn er gut gelaunt war, spielte er dem Touristenvolk auf seiner Sitar vor oder hielt kurze Vorträge über den Sinn des Lebens oder die Meditationstechnik. Bei schlechter Laune sagte er den Touristen, daß sie allesamt dumme Hunde seien; es geschehe ihnen ganz recht, wenn sie eines Tages in der Höllenglut des unvermeidlichen Atomkrieges braten würden. Auf die alte Frage, was ein Schotte unter seinem Schottenrock trägt, pflegte Malcolm Pratten die nackte Kehrseite zu präsentieren.
    An diesem Morgen erwachte der Hippie in seiner Höhle früher als sonst. Er setzte sich auf seinem Deckenlager auf, gähnte, reckte und streckte sich und kratzte sich ausgiebig. Dann nahm er seine Whiskyflasche aus dem Versteck hinter dem Stein in der Wandnische und gurgelte mit Whisky. Das war eine gute Methode, die Bazillen zu vernichten, die sich über Nacht in der Rachenhöhle bildeten. Natürlich spuckte der Schotte den Whisky nicht aus, als er mit Gurgeln fertig war. Das verbot ihm die schottische Nationaltugend, von Ausländern fälschlich als Geiz bezeichnet.
    Malcolm zog Schottenrock, Sandalen und ein Wollhemd an und kletterte aus seiner Höhle herab. Unterhalb seiner Höhle lag ein zwei Zentner schwerer Felsbrocken. Malcolm Pratten stemmte ihn ein halbes dutzendmal hoch; das war sein Frühsport. Dann trabte er im Dauerlauf zur Quelle, wo er sich wusch und überlegte, bei wem er sich zum Frühstück einladen könnte. Bei den Guru-Rajab- Leuten hatte er immer etwas bekommen, da er sich auf Meditation und Yoga verstand. Doch die Guru Rajab, von denen ein halbes Dutzend zur Hippiekolonie gehörten, pflegten jeden Morgen um vier Uhr aufzustehen. Bei Sonnenaufgang führten sie eine lautstarke Erweckungszeremonie durch. Als sie das zweimal nacheinander unter Malcolms Höhle getan hatten, war er heruntergestiegen und hatte sie verprügelt. Seitdem hielten sie ihre Erweckungszeremonien außerhalb seiner Hörweite ab, mit dem Frühstück war es aber auch nichts mehr.
    Malcolm Pratten schlenderte durch die Hippiekolonie und hielt Ausschau nach seinem Frühstück.
    Es war zwar schon Mitte Oktober, aber das Wetter war noch sehr mild. Touristen kamen um diese Jahreszeit allerdings so gut wie keine mehr her.
    Ein paar junge Mädchen, mit Jeans und dunkelgrünen Armeeüberziehern bekleidet, saßen in der Sonne und machten Schmuck aus Silberdraht. Ein langhaariger Mann, der mit seiner Knollennase und seinem Bartgewirr wie ein Waldschrat aussah, rauchte sein Haschischpfeifchen. Ein Stück entfernt saßen drei Kanadier und diskutierten über das
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