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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin
Autoren: Dämonenkiller
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der Baske.
    Mit vereinten Kräften schoben wir das Beiboot zum Wasser. Da kam ein Stöhnen vom Waldrand her. Marino, mein Bruder, taumelte aus dem Wald, ohne Degen, mit irrem Blick und zerzaustem Haar. Er fiel vor mir und Pablo auf die Knie und reckte flehend die Hände empor.
    „Marino!" schrie ich. „Was ist?"
    „Erbarmen!" stöhnte er. „Große Schlange, ich will nur noch dafür leben, meinen an deinen Kindern begangenen Frevel zu sühnen. Ich will dein Sklave sein, große Schlange!"
    Auf der Galeasse hatte man die Schüsse gehört und bemerkt, daß etwas nicht in Ordnung war. Ein zweites Beiboot war unterwegs zum Strand. Pablo und ich hoben den wimmernden Marino auf und schleppten ihn ins Boot.
    „Glaubst du, die Riesenschlange hat mit der Frauenstimme gesprochen?" fragte ich Pablo.
    Er hob nur die Schultern. Sein Blick suchte den Waldrand ab, aber keine Schlange, weder groß noch klein, tauchte auf. Von den Matrosen kam auch keiner mehr. Wir erklärten dem Zweiten Offizier, der das nun ankommende Beiboot steuerte, kurz, was vorgefallen war.
    Nach etwa einer Viertelstunde ruderten wir zur Galeasse zurück. Marino stöhnte ein paarmal, aber als er sein Schiff betrat, fing er sich wieder. Er schaute zur Schlangeninsel hinüber, und ein Zittern durchlief seinen ganzen Körper. Sein Gesicht verzerrte sich, als hätte er unmenschliche Schmerzen. „Wir legen ab", sagte er. „Wir fahren ohne weiteren Aufenthalt direkt nach Kandia."
    „Kapitän", sagte der Erste Offizier, „bei dieser Flaute ist das unmöglich. Es geht über die Kräfte der Ruderer. Das Trinkwasser und die Nahrungsmittelvorräte reichen nicht."
    „Das wird sich herausstellen. Keine Widerrede, Giacomo, sonst lasse ich dich in Ketten legen!" Giacomo, der Erste Offizier, nahm Haltung an. „Wie du wünschst, Kapitän Marino da Mosto." Marino suchte seine Kajüte auf, und schon kurze Zeit später stand er wieder auf der Brücke. Sein Gesicht war aschfahl. Die Gentile Bellini war aus der Bucht ausgelaufen und hatte das offene Meer erreicht. Die Schlangeninsel verschwand hinter uns.
    Wenig später kam eine Brise auf und füllte die Segel. Es war ein Wind, wie er günstiger nicht sein konnte. Schnell trieb er uns Kandia entgegen. Nur einmal auf dieser Fahrt gab es noch einen Zwischenfall.
    Mitten in der Nacht schrie der Ausguck das ganze Schiff zusammen. Wir stürzten auf das Deck, in der Meinung, Piraten würden uns angreifen, aber kein fremdes Schiff war auf dem wogenden, vom bleichen Mondlicht beschienenen Meer zu sehen.
    „Was brüllst du so, du Narr?" rief der Erste Offizier zum Ausguck hinauf.
    Wir kamen jetzt so gut vorwärts, daß die Rudersklaven tagsüber kaum etwas und bei Nacht gar nichts zu tun brauchten.
    „Ich habe eine Seeschlange gesehen, eine Riesenschlange“, rief der Ausguck. „Sie schwamm vor dem Schiff her in Richtung Kandia. Gerade, als ihr an Deck gekommen seid, ist sie untergetaucht." Marinos Gesicht war eine bleiche Maske, die Lippen waren dünn wie ein Strich. Er hatte verboten, daß zu der Mannschaft und den Rudersklaven über die Vorkommnisse auf der Schlangeninsel geredet wurde. Aber da auch die Männer, die das zweite Beiboot gerudert hatten, aus meinem und Pablos Bericht Bescheid wußten, war allerhand durchgesickert.
    Die Matrosen murmelten, und abergläubische Behauptungen wurden aufgestellt.
    „Die Schlange führt das Schiff in den Untergang", wollte einer wissen.
    Ein anderer meinte: „Sie kennt unser Ziel. Sie erwartet uns dort."
    „Ruhe, abergläubisches Gesindel!" schrie Marino. „Der verdammte Kerl aus dem Ausguck soll herabkommen. Er kriegt zwanzig Hiebe mit der neunschwänzigen Katze für den Unsinn, den er verzapft hat. Entweder ist er betrunken oder er hat im Ausguck geschlafen und geträumt. So etwas dulde ich nicht an Bord meiner Galeasse. Wer keine Wache hat, soll sich in seine Koje scheren, sonst bekommt er auch die Neunschwänzige zu spüren."
    Die Seeschlange wurde nicht mehr gesichtet. Zwei Tage später erreichten wir bei weiterhin günstigem Wind Kandia und liefen im Hafen von Iraklion ein. Ich sprach mit niemandem darüber, aber im geheimen fragte ich mich, ob jene Riesenschlange, die der Schiffsjunge im Ausguck gesichtet haben wollte, die von der Schlangeninsel gewesen war.

    Gegenwart
    In den alten Felshöhlen an den Hängen des Hephaistos-Berges nahe der Ruinenstadt Knossos hatte sich ein buntes Völkchen eingenistet. Hippies aus allen Gegenden der Erde hausten hier. Im Sommer herrschte
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