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0707 - Im Schatten des Vampirs

0707 - Im Schatten des Vampirs

Titel: 0707 - Im Schatten des Vampirs
Autoren: Claudia Kern
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Versäumnis hatte er wohl inzwischen nachgeholt, auch wenn es ihm immer noch nicht leicht zu fallen schien. Zumindest hatte Li-Wen den Eindruck, dass er für jede einzelne Seite Stunden benötigte.
    Doch dann sah er endlich auf.
    »Ist das wirklich nötig?«, fragte er mit dem weichen Dialekt der westlichen Provinzen.
    Li-Wen nickte. »Sonst würde ich nicht darum bitten. Die Situation, so wie ich sie in meinem Bericht dargelegt habe, erfordert diese Maßnahme.«
    »Ich kann lesen, auch wenn man Gegenteiliges behauptet.«
    In Moks Augen blitzte es und Li-Wen begriff, dass sie ihren Vorgesetzten unterschätzt hatte. Er hatte vielleicht das Benehmen eines Reisbauern, aber hinter den Fettwulsten und dem unbeholfenen Dialekt verbarg sich eine wache Intelligenz. Es war nicht nur das Blitzen in seinen Augen, das Li-Wen zu diesem Schluss führte, sondern auch die Stärke seiner Gedanken, die sie dank ihrer Fähigkeiten zumindest erahnen konnte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich wollte nicht anmaßend klingen.«
    Mok der Bauer schloss den Aktendeckel und verschränkte die Arme über seinem gewaltigen Bauch.
    »Ich muss gestehen, dass mich Ihre Abteilung nie besonders interessiert hat. Die Dinge, mit denen Sie sich beschäftigen, sollten nur Priester und Philosophen etwas angehen.«
    Er hob die Hand, als Li-Wen protestieren wollte. »Ich habe Sie bis jetzt unterstützt, weil außer Ihnen niemand die Bedrohung realistisch einschätzen kann. Wenn Sie mir nun sagen, dass diese Maßnahme notwendig ist, vertraue ich Ihnen.«
    »Diese Maßnahme ist nicht nur notwendig, sie ist unsere einzige Chance, um das Schlimmste noch zu verhindern.«
    Mok schwieg einen Moment. Li-Wen wusste, dass ihre Bitte nicht nur ungewöhnlich war, sondern gegen all die Prinzipien verstieß, die ihnen von der Partei eingeimpft worden waren. Gerade von Soldaten erwartete man einen fast schon hysterischen Patriotismus. Auch wenn man Geld und Maschinen aus dem Ausland gerne entgegennahm, so sah man die doch nicht als Almosen, sondern als Tribut, den die dekadente westliche Welt dem großen chinesischen Reich entgegenbrachte. Im Angesicht eines solchen Nationalstolzes wirkte ihr Hilfegesuch wie ein Eingeständnis von Schwäche. Das war keine gute Ausgangssituation, vor allem nicht, wenn der General an seine eigene Karriere dachte.
    Der dicke Mann hinter dem Schreibtisch seufzte. »In diesem Land leben mehr als eine Milliarde Menschen, und Sie glauben, dass nur ein Ausländer Ihnen helfen kann.«
    »Die Gründe habe ich dargelegt.«
    »Also gut. Ich gebe Ihnen die Genehmigung, aber nur unter folgenden Bedingungen…«
    Li-Wen lauschte seinen Einschränkungen ohne Kommentar. Ein Teil ihrer Gedanken merkte sich die Worte des Generals, während ein anderer bereits der Frage nachging, wie schnell man einen Flug von Paris nach Shanghai buchen konnte.
    »Wie spricht man den Namen dieses Franzosen aus?«, unterbrach Mok ihre Kalkulationen.
    Li-Wen warf einen kurzen Blick auf die Schriftzeichen, mit denen sie die lateinischen Buchstaben umschrieben hatte.
    »Zamorra«, sagte sie dann.
    ***
    Der Lärm der Rotoren machte jede Unterhaltung unmöglich. Zamorra saß eingepfercht zwischen Kisten, Fässern und Menschen auf einer ungepolsterten Holzbank und versuchte, das Knurren seines Magens zu ignorieren - eine Anstrengung, die durch die ständigen Turbulenzen erleichtert wurde. Er hatte den Eindruck, dass der Pilot des Z-9-Transporthubschraubers sein Möglichstes tat, um jedes Luftloch zwischen Shanghai und dem Zielort der Maschine zu treffen.
    Sehnsüchtig dachte er an Nicole, die sich zur gleichen Zeit in einem komfortablen, beheizten Flugzeug irgendwo über dem amerikanischen Kontinent befand. Sie war auf dem Weg nach Los Angeles, um Detective Jack O'Neill bei der Lösung eines Falls zu helfen. Eigentlich wollten sie gemeinsam dorthin fliegen, aber ein Anruf der chinesischen Botschaft hatte diesen Plan zunichte gemacht.
    Auf einer Bohrinsel vor Shanghai war es angeblich zu drei rätselhaften Todesfällen gekommen, die sich nach Aussage der Botschaft jeder rationalen Erklärung entzogen. Der Diplomat, mit dem Zamorra gesprochen hatte, erging sich in Andeutungen, war aber anscheinend nicht bereit, am Telefon Details zu erwähnen. Er hatte nur immer wieder auf die Dringlichkeit des Falls hingewiesen und um große Eile gebeten.
    Zamorra wusste nicht, warum man ausgerechnet ihn bei diesem Problem um Hilfe bat. Er hatte noch nie mit den chinesischen Behörden zu tun
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