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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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wurde stärker. Ein kalter Hauch wehte ihr ins Gesicht. Knirschend und schleifend drehte sich die verborgene Tür weiter, bis sie ganz offen war. Ein schwarzes Viereck wurde sichtbar.
    Die Gestalt, die in diesem Viereck stand, war im ersten Augenblick nur vage wahrzunehmen. Dann bewegte sich der unheimliche Besucher mit zwei langsamen Schritten in die Bibliothek hinein. Denise leuchtete ihn an.
    Sie sah ein unvergleichlich schönes Männergesicht, in das sich um Mund und Augen böse Linien eingegraben hatten. Die Augen starrten in den Lichtkegel, ohne zu blinzeln oder sich zu bewegen.
    „S-s-s-st!“ sagte er heiser. „Seien Sie leise. Hören Sie? Da ist es wieder. Es kichert. Es kichert. Überall dieses Kichern.“
    Ein Instinkt warnte Denise davor, dieser irren Bemerkung zu widersprechen. „Es ist aber ziemlich leise, nicht?“ erwiderte sie.
    Die Gestalt des Unbekannten, der lauschend ein paar Schritte weiter in den Raum hineingegangen war, schnellte zu ihr herum. „Jetzt haben Sie sich verraten!“ sagte er. „Denn im Moment kichert es gar nicht. Wie können Sie das Kichern hören, wenn es nicht da ist?“
    Er kam dicht an sie heran und legte eine schwere Hand auf ihre Schultern. Sie verharrte abwehrbereit. Doch unerwartet ließ er ein trockenes Schluchzen hören, und seine Stimme klang ganz anders als zuerst. „Halten Sie Hassan Marfadra für verrückt?“ fragte er.
    Denise hatte das seltsame Gefühl, plötzlich einem ganz anderen Mann gegenüberzustehen. Er heißt Hassan Marfadra, registrierte sie.
    Aber bevor ihr eine Antwort einfallen konnte, richtete er sich aus seiner ratlosen Haltung wieder auf, seine Stimme klang wie zuvor: „Sehen Sie, wie hoch oben der Mond durch die Wolken wandert? Durch das schwarze Meer der Finsternis. So grenzenlose, dichte Finsternis. Ja, finsterer sind nur die Burgen der Edlen im Lande.“ Sein Gesicht verzog sich zu einem wissenden Lächeln. „Sie haben alle ihre geheimen Verliese, die Edlen im Lande. Da sind ihre Schandtaten verborgen. Ich – ich hatte nur das Unglück, daß mein Verlies mit den toten Ehefrauen entdeckt wurde.“
    Er nahm Denises Gesicht in beide Hände. „Sie sind schön wie Guinnevere, die ich … aber das ist nicht wichtig.“ Kaum merklich verstärkte sich der Druck seiner beiden Hände um ihr Gesicht.
    Denise wollte ihn mit einem Judogriff über ihre Schulter zu Boden werfen.
    Er stand bewegungslos vor ihr, wie ein Steindenkmal.
    Ihren Griff, der für normale Menschen bei jedem Sträuben schmerzhaft geworden wäre, schien er gar nicht zu bemerken. Aber seine Hände ließen ihr Gesicht los. Unvermittelt umfaßte er ihre Taille und riß sie zu sich heran. Seine andere Hand umklammerte wie ein Schraubstock ihr rechtes Handgelenk, das er bis in Augenhöhe hob.
    „Tanz mit mir, Guinnevere!“ bat er heiser.
    Sollte sie schreien? Durch diese dicken Mauern drang doch kein Geschrei weit genug. Sollte sie es noch einmal mit Judo versuchen? Aber dadurch reizte sie ihn nur. Er hielt ihr Handgelenk wie mit einer Stahlklaue umspannt. Wo war nur ihr Funkgerät?
    „Warum tanzen Sie nicht? Ist die Musik nicht schön?“ Raoul Marfadra begann Denise im Kreis zu drehen – schneller, schneller, in rasendem Wirbel. Plötzlich blieb er stehen. Sie keuchte und klammerte sich an ihn, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    „Des Mondes lange Reise durch die Nacht … so einsam. Wer begleitet den Mond, bis er untergeht? Sie tanzen schlecht, Mademoiselle. Wer sind Sie überhaupt? Wie kommen Sie hier herein? Das muß näher untersucht werden. Bis dahin sperre ich Sie zu meinen stummen Frauen.“
    Er zerrte sie trotz ihres heftigen Sträubens zu der gähnenden Geheimtür hin. „Blaubarts Frauen: Sicher haben Sie doch schon davon gehört? Beschädigen Sie sie nicht!“ Er schleuderte sie mit solcher Wucht durch die Türöffnung, daß sie in der Finsternis hart gegen eine Steinkante prallte. Mit dumpfem Geräusch schloß sich hinter ihr die Geheimtür.
    Aber es konnte nicht das Verlies mit Blaubarts toten Frauen sein. Es war nicht Blaubarts Schloß. Er mußte die Geheimtür einfach deshalb gefunden haben, weil sich alle Geheimtüren aus seiner Zeit glichen.
    Konnte sie den Mechanismus bedienen? Um Himmels willen, dachte sie, wenn ich hier keinen Ausgang finde, sehen mich andere Menschen vielleicht erst wieder als grinsendes Skelett: Verhungert. Verdurstet.
    In zehn Jahren?
    In fünfzig Jahren?
    In zweihundert?
    Halt! Mach dich nicht verrückt, Denise.
     

     
    Indes
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